Noch ein wenig leben

Texas-Todeskandidat Delma Banks erhält in letzter Minute einen Aufschub. Womöglich wird der Fall neu aufgerollt

WASHINGTON taz ■ Zehn Minuten vor der geplanten Vollstreckung erreichte Mittwochabend die Gefängnisbeamten die Nachricht: Der oberste Gerichtshof der USA hat die Hinrichtung des 44-jährigen Delma Banks in Huntsville im US-Bundesstaat Texas ausgesetzt. Es war bereits der 16. Exekutionsaufschub für Banks, der seit 23 Jahren in der Todeszelle sitzt. Der Tod durch die Giftspritze wäre die 300. Hinrichtung in Texas seit der Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahre 1982 gewesen.

In einem ungewöhnlichen Vorgang verfügten die höchsten US-Richter ohne Begründung den Aufschub der Vollstreckung. Die Richter teilten lediglich mit, Banks solle so lange am Leben bleiben, bis sie sich eine Meinung über seinen Antrag bilden könnten, eine erneute umfassende Anhörung seines Falls vorzunehmen. Wann das sein wird, ist jedoch noch unklar.

Banks war für schuldig befunden worden, 1980 einen 16-jährigen weißen Jugendlichen erschossen zu haben. Doch der Fall war höchst umstritten. Zuletzt hatten sich sogar prominente Richter und Anwälte, wie der frühere FBI-Direktor William Sessions, für Banks beim obersten US-Gericht eingesetzt und die damalige Prozessführung scharf kritisiert. Das Verfahren gegen den nicht vorbestraften jungen Mann, der bis heute seine Unschuld beteuert, dauerte nur einen Tag. Die Jury bestand ausschließlich aus weißen Geschworenen. Es gab kaum Indizien gegen Banks. Der Hauptzeuge wurde, wie sich später herausstellte, von der Polizei manipuliert. Die Entscheidung des obersten Gerichts ist von Gegnern der Todesstrafe in den USA mit Erleichterung aufgenommen worden. „Das Urteil zeigt, dass unsere Gerichte nicht blind sind gegenüber den gravierenden Justizirrtümern in diesem Land“, sagte Banks Anwalt George Kendall.

MICHAEL STRECK