Aventis will nicht geschluckt werden

Vorerst gibt es keinen neuen Pharmariesen: Deutsch-französischer Konzern wehrt sich gegen feindliche Übernahmedurch französische Firma Sanofi. Der wiederum sitzen schon fusionswillige amerikanische Unternehmen im Nacken

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

„Aaattacke“ – so tönt es seit dem gestrigen Morgengrauen aus der Chefetage von Sanofi-Synthélabo. Der französische Pharmakonzern, der weltweit die 14. Position der Branche innehat, will seinen fast doppelt so großen Konkurrenten Aventis schlucken.

Doch die andere Chefetage hat die feindliche Übernahme bereits abgelehnt. Aventis sucht jetzt über mehrere Investmentbanken nach anderen Investoren. In der Pharmabranche kündigen sich damit neue internationale Übernahmeschlachten an. Dabei wird es nicht um Pillen oder Gesundheit gehen, sondern ausschließlich um Börsenwerte.

„Wir mussten schnell handeln“, begründete Sanofi-Chef Jean-François Debecq gestern Vormittag bei einer Pressekonferenz in Paris sein Hauruckverfahren. In der Nacht zuvor hatte er sich mit seinen beiden Hauptaktionären – dem Chef des Ölkonzerns Total und dem des Kosmetikkonzerns L’Oréal – auf das Übernahmeangebot geeinigt. Die Offerte ist knapp 50 Milliarden Euro wert und sieht sowohl den Kauf als auch den Tausch von Aventis-Aktien vor.

Hinter der feindlichen Übernahme stecke keinerlei feindliche Absicht, sondern „ein unternehmerisches Projekt“, erklärte Debecq. Lange Verhandlungen seien dennoch nicht möglich gewesen. Die hätten sich nur negativ gestalten können – für Aktionäre, Unternehmen und Beschäftigte. Man beachte die Reihenfolge.

Tatsächlich ist die Entscheidung zur feindlichen Übernahme eine Flucht nach vorn. Denn seit Ende der 1990er-Jahre findet ein gnadenloser Konzentrationsprozess in der Pharmabranche statt. Auch dieses Mal lauern mehrere andere Interessenten, vor allem aus den USA, im Hintergrund. Nicht nur Aventis ist in ihrem Visier, sondern auch Sanofi. Begründet wird die Fusionitis unter anderem mit den hohen Kosten bei der Entwicklung von neuen Stoffen (ab 600 Millionen Euro aufwärts pro Medikament), mit der Konkurrenz durch die preiswerteren Imitate und mit den sinkenden Gesundheitsausgaben in den Industriestaaten.

Auch Aventis ist noch recht jung. Der Konzern entstand 1999 durch den Zusammenschluss der deutschen Hoechst mit der französischen Rhône-Poulenc. Der neue Konzern verlegte das Zentrum seiner Verwaltung nach Frankreich und begann mit einer Umstrukturierung, die zahlreiche Arbeitsplätze kostete. Doch jene 1999 begonnene Restrukturierung ist noch lange nicht abgeschlossen. So sei laut Medienberichten die Streichung von zusätzlichen 1.800 Beschäftigten in Frankreich vorgesehen. Sollte die feindliche Übernahme zustande kommen, würde das neue Fusionsprodukt in Europa auf Platz eins und weltweit auf Platz zwei der Pharmakonzerne rücken. Darüber freuen sich die Börsianer. Und auch der französische Finanzminister Francis Mer äußerte sich „überwiegend positiv“ dazu. Der neue Konzern hätte einen Anteil von 5,3 Prozent im weltweiten Pharmageschäft. Gleich hinter den US-amerikanischen Pfizer mit 10,9 Prozent. Der Chef von Sanofi kündigte gestern an, dass er die Übernahme bis zum Sommer abwickeln will. Doch selbst wenn dieses Projekt zustande kommen sollte, ist keineswegs sicher, dass der künftige Großkonzern langlebiger sein wird als beispielsweise Aventis. Es ist höchstwahrscheinlich, dass bei einer nächsten Fusion der Konzern aus Europa verschwinden würde.

Die Sprecher der Gewerkschaften können daher auch keinerlei Vorteile am Zustandekommen eines „französischen Riesen“ erkennen. „Da gehen tausende Arbeitsplätze im Rahmen einer einzigen Börsenentscheidung verloren“, sagt der Chef der CFDT, François Cherèque.