Küssen ist besonders ekelhaft

Bei der Nacht der Jugend wird heut eine Studie über Homophobie unter Bremer Schülern vorgestellt

Wie stark ist der Einfluss der Religion auf intolerante Haltungen zur Homosexualität? Das haben SchülerInnen des Schulzentrums Walliser Straße untersucht. Heute Abend wollen sie ihre bemerkenswerten Ergebnisse bei der „Nacht der Jugend“ vorstellen.

Die SchülerInnen haben knapp 1.000 Fragebögen in ihrer und der Gesamtschule Ost vorgelegt, die Umfrage ist also einigermaßen repräsentativ. Der Aussage „Homosexualität ist unmoralisch“ haben dabei 35 Prozent zugestimmt. Die Zahl ist immerhin doppelt so hoch wie das Ergebnis bei Umfragen in der Gesamtbevölkerung. Das Schul-Projekt, angeleitet von dem Lehrer Wolfram Stein, hat seine Zahl differenziert: Bei den Schülerinnen vertreten nur 22 Prozent diese Ansicht, unter den Jungs ist sie mit 50 Prozent verbreitet. Unter den „Ur-Deutschen“ sind es übrigens insgesamt auch nur 20,6 Prozent, 49,7 dagegen bei Migranten-Kindern. Die wenigsten Vorurteile gibt es bei SchülerInnen, die sich als „nicht-gläubig“ bezeichnen – nur 20,3 Prozent.

Die Katholiken haben mit 38,5 Prozent Anteil an der Homosexuellen-Feindlichkeit, unter den muslimischen SchülerInnen ist diese Haltung mit 61,8 Prozent sogar dominant. Mit verschiedenen anderen Fragen haben die Schüler dieses Ergebnis bestätigt. Besonders extrem ist die Ablehnung des „Küssens in der Öffentlichkeit“: 85 Prozent der muslimischen Schüler finden das bei Homosexuellen „ekelhaft“, bei den „ur-deutschen“ sind das immerhin 41 Prozent dieser Ansicht – und immerhin 10 Prozent bei den befragten LehrerInnen.

Die SchülerInnen der Projektgruppe haben sich im Zoo in Bremerhaven und in Biologie-Büchern vergewissert: Unter Pinguinen und Hominiden wie etwa den Bonobo-Affen ist Homosexualität nicht selten: Bei den Bonobos gibt es sogar homosexuelle Orgien, und Diskriminierung findet in der Natur nicht statt. Also kann Homosexualität nicht „widernatürlich“ sein, wie von Nazis und fundamentalistischen Religionsgemeinschaften oft behauptet.

Zugleich haben die SchülerInnen den religiösen Wurzeln der Homophobie nachgespürt: Die Geschichte von Sodom und Gomorrha, klassische Rechtfertigung gläubiger Intoleranz gegen Homosexuelle, kommt sowohl in der Bibel wie im Koran vor – Tötungs-Gebote inklusive.

Und noch etwas haben die SchülerInnen festgestellt: Seit sie über das Thema reden, sind Schwulen-Schimpfworte auf dem Pausenhof seltener geworden. Offen gelassen haben sie die Frage, warum LehrerInnen das Thema so selten zum Unterrichtsgegenstand machen. Kawe