Bulmahn darf glänzen – und die Grünen grollen

Der Kanzler nimmt seine Ministerin in Schutz und überlässt ihr die Eliteunis, um sich zu profilieren. Die Grünen dagegen werden gar nicht erst eingeweiht

BERLIN taz ■ Es war eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren. Und Forschungsministerin Edelgard Bulmahn nutzte sie. Schon lange war dieser Kongress vom Ministerium geplant; nun eignete er sich prächtig, um die ganz frische Idee des Wettbewerbs „Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten“ vorzustellen – und mit 250 Millionen Euro jährlich für die Sieger zu wedeln.

Welch böse Berichte musste die Ministerin zuletzt ertragen. Da wurde sie in Zeitungen „Schröders Aschenbrödel“ genannt. Da nutzten Parteikollegen die Gelegenheit, sich in bester Männerbundmanier über die angeblichen Nichtqualitäten Bulmahns zu verbreiten, wie „Sie schaut nur zu“ oder sie sei eben „kein Leistungsträger“ der Regierung. Schon wurde über ihre Ablösung spekuliert.

Nun hat sie sich einen großen Auftritt organisiert und erhält prompt Rückendeckung von Gerhard Schröder. Der flog gestern für eine halbe Stunde in die schmucke gläserne Halle des Gehry-Baus am Brandenburger Tor ein – und begann auf Bulmahns Kongress mit einer Laudatio auf seine Ministerin: „Ich finde die Arbeit, die Frau Bulmahn macht, sehr sehr gut – und ich unterstütze sie von ganzem Herzen.“ Alle Vermutungen, die in der Presse über sie angestellt worden seien, seien „schlicht falsch“.

Der Kanzler unterstrich dieses Lob auch durch die Arbeitsteilung. Alle detaillierten Äußerungen zu Eliteunis, Innovationsclustern und Hochschulgesetz überließ er seiner Ministerin. Er selbst hielt eine allgemeinpolitische Rede, die dem, was man in den Vorjahren zu solchen Anlässen hörte, auffällig glich. Man musste bloß in Gedanken das Wort „Innovation“ durch „Generationengerechtigkeit“ ersetzen, und man landete im Wahljahr 2002. Nahm man stattdessen das Wort „Nachhaltigkeit“, landete man irgendwo zwischen 2000 und 2001.

Brauchten wir in den Vorjahren mehr Kinderbetreuung und mehr Chancengerechtigkeit, um über mehr Geburten die demografische Schieflage auszugleichen und „unsere Sozialsysteme nachhaltig“ zu machen, so brauchen wir heute Krippenplätze und gleiche Chancen, um unsere „Begabungsreserven auszuschöpfen“, die schließlich ein Land erst innovativ machen. Wieder einmal gelingt es dem Kanzler, so altmodische sozialdemokratische Ziele wie Emanzipation und soziale Sicherung unter einen Zeitgeistbegriff zu gruppieren. Und so modern zu erscheinen.

Gleichzeitig bemühte sich Gerhard Schröder, den „Umbau der Sozialsysteme“ und die „Innovation“ argumentativ zusammenzuführen, um so dem Schlagwort „Agenda 2010“ etwas von seiner Schärfe zu nehmen. Merke: Ohne Innovation kein Wachstum und keine soziale Sicherheit. „Aber“, so der Kanzler, „wir brauchen den Sozialstaat, um in der Gesellschaft das Klima und die Bedingungen für mehr Innovation und mehr Wissen zu verbessern.“ So versöhnt die SPD die schöne Innovation mit dem gekürzten Arbeitslosengeld.

Weniger schön ist das Klima in der Koalition. Die Grünen sind verärgert, weil die SPD den Wettbewerb der Eliteuniversitäten ganz ohne Absprache aus der Taufe hob. Dort sieht man das Projekt der Spitzenunis ohnehin mit Skepsis, will man doch unbedingt verhindern, dass das deutsche Hochschulwesen in der Breite leidet.

Wenig entzückt sind die Grünen entsprechend davon, dass Bulmahn 320 Millionen Euro Bundesmittel für den Hochschulbau sperrte. „Wenn der Bund sich aus dem Hochschulbau zurückzieht und dafür 250 Millionen Euro auf fünf Hochschulen verteilen will – dann ist das keine Antort auf die Situation“, bemerkt gestern die grüne Fraktionschefin Krista Sager.

Allerdings sieht es nicht so aus, als würden die Grünen großes Aufheben von dem sozialdemokratischen Alleingang machen. Auch sie sehen das Thema Innovation vor allem als Chance, mit den eigenen Themen wieder in die Offensive zu kommen, etwa beim Zuwanderungsgesetz, wenn es nun darum geht, ausländischen Spitzenforschern ein Bleiben zu ermöglichen.

Hinter den Kulissen bereiten die Koalitionspartner bereits ihren Wahlkampf vor. Es ist wohl kein Zufall, dass die endgültige Auswahl der Spitzenunis auf das Jahr 2006 fällt. Und auch die Grünen feilen bereits an sinnfälligen Themen. Sie setzen aber eher auf Symbole, die die Chancengleichheit betonen, wie etwa das Modell einer eingliedrigen Schule bis zur neunten Klasse, wie es in Finnland so erfolgreich Schüler ausbildet. MATTHIAS URBACH