Karikaturisten

Am 22. Juli 1987 wurde der palästinensische Karikaturist Naji al-Ali vor dem Büro der arabischen Tageszeitung al-Qabbas in London ermordet. Der oder die Täter wurden nie ermittelt. Wie immer stand der Mossad als Verdächtiger an erster Stelle, doch hinter vorgehaltener Hand wurde auch die Fatah-Elite genannt, die er jahrelang mit beißender Kritik überschüttet hatte und deren politische Kultur er geißelte. Naji al-Ali, dessen Karikaturen nicht an Aktualität verloren haben, kritisierte gnadenlos die „Ölscheichs“, die „Hunde der Macht“ (die arabischen Regime) und die zionistische Politik. Seine in den meisten Karikaturen erscheinende Figur Hanzala ist ein kleiner, ärmlich aussehender Junge, der immer ins Bild blickt und dem Betrachter den Rücken zukehrt. So wie seine Kritik vor keiner Grenze der arabischen Welt Halt machte, so hatte er auch sein Büro bei verschiedenen arabischen Zeitungen, in Libanon, Kuwait und London.

Auch der Syrer Ali Farzat arbeitete für Zeitungen am Golf, in Syrien und im Libanon. Farzats Karikaturen thematisieren Unterdrückung, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, sie richten sich gegen staatliche Gängelung und Militarismus. Generäle mit einem Schalter am Kopf – zum Ein- und Ausschalten, Militärstiefel, deren Schuhspitze an ein menschliches Hirn erinnert. Seine Karikaturen kommen ohne Worte aus, die Personen oder Figuren sind nie konkretisierbar – ein aus der Not geborenes Stilmittel, das der Zensur weniger Raum bietet und den Künstler etwas aus der Schusslinie nimmt.

„Oft ist mehr Mühe notwendig, eine Karikatur zu publizieren, als sie zu produzieren“, hat Ali Farzat einmal gesagt. Manche seiner Karikaturen durften in Syrien nicht publiziert werden. 1989 gab es beispielsweise von dem irakischen Botschafter wütende Reaktionen auf eine Karikatur von Ali Farzat bei einer Ausstellung im Institut du Monde Arabe in Paris. Der drängte darauf, dass eine Karikatur (ein General schöpft während eines Krieges aus einem riesigen Suppentopf mit einer Kelle Orden statt Essen) aus der Ausstellung entfernt wird. Sein vorauseilender Gehorsam erkannte in dem General seinen Chef Saddam Hussein wieder. Dieser Zensurversuch löste einen Protest arabischer und französischer Künstler aus, die Karikatur blieb hängen. Farzat hat sich einige Jahre nicht nach Jordanien getraut, den langen Arm von Saddams Geheimdienst fürchtend.

Aber auch Karikaturisten können ihren Biss verlieren. Es gab Hoffnung, als nach dem Tode des langjährigen syrischen Staatschefs Hafez al-Asad eine demokratische Aufbruchsbewegung ins Rollen kam. Die Rückeroberung des öffentlichen Raumes, der Kampf für zivile Strukturen hatte begonnen. Ali Farzat gab 2001, mit Genehmigung des neuen Präsidenten Bashar al-Asad, die Satirezeitschrift Ad-Domari (Der Nachtwächter) heraus. Das Blatt konnte seinen Anspruch als Satirezeitschrift nie umsetzen, trotz der Nähe zum Präsidenten kam die Zensur ins Haus, andererseits wurde Ad-Domari auch zum „Nachtwächter der Obrigkeit“ und richtete sich gegen syrische Intellektuelle und Bürgerrechtler. Wird der Rücken zu krumm gemacht, kann es passieren, dass er sich nicht mehr aufrichtet.

Karikaturen auf eine etwas andere Art hat sich der Damaszener Künstler Hajou ausgedacht. In bestimmten Kreisen wurde die Medizin Silencil herumgereicht. Eine grafisch sorgfältig gestaltete Arzneipackung mit Tablettenfläschchen, dessen Inhalt gegen den offiziellen „Lärm“ Hilfe verspricht. Der Tranquillizer soll helfen, so die Packungsbeilage, die Ruhe und Sicherheit im Land herzustellen, mit den Mitteln „Schweigomol“ (171 mg), „Sadinol“ (0,7 mg) und „Masochinol“ (0,3 mg).  NORBERT MATTES