Was die Bahn nicht schafft ...

... gelingt dafür ihren Ex-Azubis, und das mit links: An Schaltern, die der Staatskonzern schließen wollte, verkaufen sie 30 Prozent mehr Fahrkarten. Plus Kaffee und Zeitungen für die Pendler. Und schafften so sechs Jobs

„Eisenbahner gelten schon mit 21 als schwer vermittelbar.“

taz ■ „Man kann auch in einem Dreieinhalbtausend-Einwohner-Dorf eine Fahrkartenausgabe wirtschaftlich betreiben.“ Der das sagt, ist 20 Jahre alt, Chef über fünf Angestellte und gerade dabei, seine vierte Filiale zu planen. Bastian Königsmann verkauft dort Fahrkarten, wo die Bahn ihre Schalter schließt. Zum Beispiel in Eystrup südlich von Bremen: „Zu geringer Umsatz“ befand der Staatskonzern dort und zog sich zurück. Königsmann trat den Gegenbeweis an. Seine Rail-Service-Bremen KG richtete im Bahnhofsgebäude, das demnächst renoviert wird, einen provisorischen Schalter ein, lockt mit erweiterten Öffnungszeiten, Kaffee und Zeitungen für die Pendler. Seither ist der Bahnhof morgens proppenvoll und Königsmanns Kasse klingelt. „Wir sehen das positiv“, lobt die Landesnahverkehrsgesellschaft.

Königsmanns erste Fahrkarten-Verkaufsstelle war der Bahnhof Bremen-Burg. Dort hatte der gelernte Kaufmann im Verkehrsservice schon während seiner Ausbildung Tickets verkauft, Auskünfte erteilt und Plätze reserviert. Das bahneigene Dienstleistungszentrum Bildung hatte den Schalter noch bis vor kurzem als so genannten Junior-Betrieb geführt – Praxis-Terrain für die angehenden FahrkartenverkäuferInnen. Die aber gibt es nicht mehr. Im August machte der Konzern den Junior-Betrieb dicht, die rund zwei Dutzend fertig Ausgebildeten konnten den Weg zum Arbeitsamt antreten – mit alles anderen als rosigen Aussichten. „Als Eisenbahner gilt man dort schon mit 21 Jahren als schwer vermittelbar“, weiß Königsmann.

Im Rückzug der Bahn witterte der damals als ICE-Zugführer in Hannover eingesetzte 20-Jährige seine Chance. „Ich wollte schon immer meinen eigenen Bahnhof haben“, sagt er – und er bekam ihn. „Ein wenig skeptisch“ sei sein Arbeitgeber gewesen, als er seine Kündigung einreichte und zugleich um die Übernahme des Schalters in Bremen-Burg verhandelte, erinnert sich der 20-Jährige. Als Startkapital mussten die 3.000 Euro von seinem Sparbuch herhalten, Existenzgründungszuschüsse bekam er nicht und Kredit hat er bis heute „keinen Cent“ aufgenommen. Die Kritiker von einst sind inzwischen verstummt: 30 Prozent mehr Ticket-Verkäufe kann Rail-Service-Bremen in Burg vorweisen, dazu einen erklecklichen Zusatz-Verdienst mit Service-Angeboten wie Kaffee und Zeitungen. Und über beide Filialen verteilt insgesamt 5,5 Vollzeitstellen, die zu Bahn-Tarifen bezahlt werden. Wenn keine Schlangen am Schalter stünden, so Königsmanns Beobachtung, ließen die Fahrgäste die Automaten links liegen.

Statt am verkehrsarmen Wochenende macht Königsmann die Fahrkarten-Schalter lieber werktags länger auf. Von morgens um sechs bis abends um acht gibt es etwa in Bremen-Burg seit Oktober Fahrkarten, gleichen Service will der Jung-Unternehmer demnächst auch an seinem dritten Standort anbieten: in Nordenham. Zusammen mit dem Fahrkartenschalter, den er in den nächsten Monaten am Bahnhof in Bremerhaven-Lehe aufmachen will, hofft Königsmann in diesem Jahr auf über sieben Millionen Euro Umsatz.

Warum den Youngsters gelingt, was der Staatskonzern offenbar nicht schafft? Die Bahn AG schweigt sich dazu vornehm aus. „Es gibt Standorte, wo Fahrschein-Agenturen wirtschaftlicher sind“, sagt Sprecher Norbert Giersdorff. Vielleicht bekommen Privatunternehmen wie Rail-Service-Bremen demächst noch mehr zu tun. Giersdorff: „Wir überprüfen ständig die Wirtschaftlichkeit unserer Reisezentren.“ Armin Simon