Erstmals treffen sich heute der Senat und die Bürgermeister der zwölf Bezirke zu einer Arbeitsklausur. Auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) soll die künftige Entwicklung der Bezirke bis 2012 diskutiert werden. Dabei geht es auch um die Frage, ob es die zweistufige Verwaltung noch geben muss, wenn es bis 2009 doch noch zu der angestrebten Fusion mit Brandenburg kommen sollte. Die Bezirke fühlen sich chronisch unterfinanziert, seit sich der Senat die Haushaltskonsolidierung als wichtigstes Thema auf die Fahnen geschrieben hat.

„Berlin lässt sich nicht zentralistisch gestalten“

Christina Emmrich, PDS-Bürgermeisterin von Lichtenberg, wehrt sich gegen Versuche, die Bezirke zu entmachten. Mit den derzeitigen finanziellen Mitteln falle es aber sehr schwer, den Bürgern ein plausibles Lebensumfeld zu bieten

taz: Frau Emmrich, der Senat und die Bezirke gehen in Klausur. Warum?

Christina Emmrich: Die politische Stellung der Bezirke muss neu erarbeitet werden. Deshalb gibt es heute die Klausur mit Senat und den Bezirksbürgermeistern.

Heißt das, die Bürgermeister lamentieren nicht mehr, sondern sie machen politische Lobbyarbeit für die Bezirke und suchen die öffentliche Diskussion?

Ja, aber das tun wir schon eine Weile.

Sind die Bezirke am Ende ihrer finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten?

Das sind sie. Heute liegen wir etwa bei 48 Prozent der Zuweisungen von 1995. Wir bekommen weniger als die Hälfte des Geldes, das die Bezirke vor fast zehn Jahren erhalten haben.

Der Senat sieht aber weiteren Kürzungsspielraum, sonst gäbe es nicht den Plan, den Bezirken neue Sparvorgaben aufzuzwingen.

Nicht nur der Senat, auch das Abgeordnetenhaus hat bei der finanziellen Austrocknung der Bezirke mitgemacht.

Wie begründen Senat und Abgeordnetenhaus weitere Kürzungen?

Derzeit wird alles mit der Verfassungsklage und der angeblichen Überausstattung Berlins begründet.

Und, stimmt das nicht?

Ich frage mich, ob die Schulen in Hamburg wirklich in einem genau so miserablen Zustand sind wie viele bei uns. Ich denke, ein Bezirk braucht eine bestimmte Menge Geld, um die Angebote für die Bürger vorhalten zu können, um Schulen, Kitas, Parks in einem ordentlichen Zustand halten zu können. Man muss den Bürgern ein Lebensumfeld bieten, das es für sie plausibel erscheinen lässt, da zu wohnen. Mit den derzeitigen finanziellen Mitteln fällt das sehr schwer.

Werden die Bezirke durch die finanzielle Beschneidung politisch entmachtet?

Das müsste man die Kollegen im Abgeordnetenhaus fragen. Ich denke, es ist so. Aber meiner Meinung nach lässt sich eine Stadt mit 3,5 Millionen Einwohnern nicht zentralistisch gestalten.

Greift die Hauptverwaltung nicht längst dirigistisch in die Belange der Bezirke ein, so dass die bezirklichen Gestaltungsspielräume ohnehin gar nicht mehr existieren? Ist die Rolle der Bezirke nur noch die eines ausführenden Organs, sind sie somit nicht bereits entmachtet?

Den Versuch mag es immer geben, aber noch gibt es uns als Bezirke. Wir sind da, es gibt die Bezirksverordnetenversammlung, wir setzen unsere Schwerpunkte. Es wäre schädlich, den Eindruck zu vermitteln, dass es uns nicht mehr gibt. Interview: WS