Erstmals treffen sich heute der Senat und die Bürgermeister der zwölf Bezirke zu einer Arbeitsklausur. Auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) soll die künftige Entwicklung der Bezirke bis 2012 diskutiert werden. Dabei geht es auch um die Frage, ob es die zweistufige Verwaltung noch geben muss, wenn es bis 2009 doch noch zu der angestrebten Fusion mit Brandenburg kommen sollte. Die Bezirke fühlen sich chronisch unterfinanziert, seit sich der Senat die Haushaltskonsolidierung als wichtigstes Thema auf die Fahnen geschrieben hat.

Bürgermeisterinitiative startet

Seit langem versucht der Senat, die Bezirke in ihrer Selbstverwaltung zu beschneiden. Jetzt stellen sich die Bürgermeister quer: Sie fordern eine Schiedsstelle sowie Beteiligungs- und Klagerechte

von WALTRAUD SCHWAB

In der heutigen Senatsklausur wollen die BürgermeisterInnen aller zwölf Bezirke mit Vertretern des Senates Tacheles reden. „Wir wollen wissen, welchen Platz die Bezirke in Zukunft haben sollen“, sagt Joachim Zeller, CDU-Bürgermeister von Mitte. Es gebe Vorgaben vor allem aus der Innen- und der Bauverwaltung, die vermuten ließen, dass es innerhalb des Senats starke Bestrebungen gibt, die politische Verantwortung in Berlin auf Kosten der Entscheidungsbefugnis der Bezirke weiter zu zentralisieren. Dieser Eindruck ist nicht neu. Neu ist, dass die Bezirksbürgermeister sich unisono gegen solche Pläne zur Wehr setzen wollen.

Bis vor kurzem waren es vor allem die vom Senat auf die Bezirke abgewälzten Einsparungen, die als Instrument eingesetzt wurden, die bezirklichen Befugnisse zu dirigieren. Allein für 2004 müssen die Bezirke im Personalbereich 59 Millionen Euro einsparen. Im Bereich Sachausgaben erhalten sie 108 Millionen Euro weniger als 2003.

Da mutet der jüngste Brief aus dem Hause Sarrazin geradezu bescheiden an. Mit der Verfassungswidrigkeit des Doppelhaushaltes werden weitere Kürzungen begründet. So müssen die Bezirke zusätzlich 5,781 Millionen Euro bei den Ausbildungsmitteln und 2,56 Millionen bei den so genannten „pauschalierbaren Produkten“ einsparen. Unter Letzteres fällt vor allem die bezirkliche Kultur. Nach Aussage des stellvertretenden Bürgermeisters von Charlottenburg-Wilmersdorf Klaus-Dieter Gröhler (CDU) würde dies für seinen Bezirk die Schließung aller Kultureinrichtungen bedeuten. Andere Bezirke wie Lichtenberg wollen die Sparsumme nicht nur dem Kulturbereich aufbürden.

Aus Sicht aller Bürgermeister sind die Bezirke an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit gebracht. Es hat lange gedauert, bis der Rat der Bürgermeister bereit war, darin einen Schritt zur Entmachtung der Bezirke hin zur Zentralisierung – vergleichbar dem Hamburger Modell – zu sehen und parteiübergreifend einzufordern, dass der Senat „Farbe bekennen muss, wohin die Reise bei den Bezirken geht“, so Zeller.

Referentenentwürfe aus der Bauverwaltung zur neuen Bauordnung Berlins machen es den Bezirkspolitikern da einfacher, die Absichten des Senats zu verstehen. Derzeit legen die Bezirke die Bebauungspläne rechtlich bindend fest, wie der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), erläutert. Den Strieder’schen Plänen zufolge soll die Genehmigung von Sonderbauten, und damit von zwei Dritteln aller Gebäude, jedoch in Landeskompetenz übergehen. Das Vermessungsamt soll, solchen Plänen zufolge, ebenfalls zentralisiert werden.

Die Verlagerung der bezirklichen Horte in die Landesschulverwaltung weist in eine ähnliche Richtung. Auch ein Teil der Kitas soll in einem bezirksübergreifenden Betrieb zusammengefasst werden.

Seit die Bezirksbürgermeister wach geworden sind, stellen sie öffentlich die Frage, warum Bezirke als politische Einheit mit ihrer fast 84-jährigen Geschichte für Berlin wichtig sind. Da ist zum einen die Bürgernähe, die sie leisten müssen. Zum anderen aber würde die Abschaffung der bezirklichen Selbstverwaltung auch den Verlust eines demokratischen Entscheidungsgremiums bedeuten. „Eine 3,5-Millionen-Menschen-Stadt kann nicht zentralistisch geregelt werden. Was für Mitte gut ist, mag für Köpenick bedeutungslos sein“, meint Zeller. Die Stadtteile in Berlin seien untereinander zu heterogen.

Angst um den Machtverlust nach einer Fusion mit Brandenburg treibe die Landespolitiker um, deshalb wollten sie die Bezirksverwaltung nur noch zum ausführenden Organ eigener Vorgaben machen, meint Schulz.

Bei der heutigen Senatsklausur soll all dies zur Sprache kommen. Der Rat der Bürgermeister, der jenseits von Stellungnahmen keinerlei politische Handhabe besitzt, fordert in seinem Positionspapier Beteiligungs- und Klagerechte. Außerdem solle eine unabhängige Schiedsstelle eingerichtet werden, die bei Differenzen zwischen Bezirken und Land angerufen werden kann.