Migranten geraten ins Aus

Fast 50 Prozent der Türken in Berlin sind arbeitslos, die neue Arbeitsmarktpolitik der Bundesanstalt für Arbeit gibt ihnen kaum noch eine Chance auf Weiterbildung

„Arbeitsmarkt-Ausgrenzungs-Politik“ ist der Begriff, mit dem Safter Cinar, Sprecher des Türkischen Bunds Berlin-Brandenburg e. V. (TBB), die Umsetzung der Hartz-Gesetze in Berlin beschreibt. Er ist bestürzt über die neuen Richtlinien der Bundesanstalt für Arbeit, die nur noch „gut vermittelbaren“ Arbeitslosen Chancen einräumen. Von der hohen Arbeitslosigkeit in Berlin sind jedoch gerade Menschen mit Migrationshintergrund überproportional betroffen. 41 Prozent von ihnen sind arbeitslos, vor allem viele Türken (47,2 Prozent) finden keinen Job. Etwa 75 Prozent der türkischen Arbeitslosen in Berlin sind jünger als 45 Jahre. Diese Zahlen stellte der Türkische Bund gestern auf einer Pressekonferenz vor.

Besonders die neue Arbeitsmarktpolitik der Bundesanstalt für Arbeit mache den Betroffenen schwer zu schaffen, sagt Cinar. Die Arbeitsämter, die in diesem Jahr ohne Bundeszuschuss auskommen müssen, sehen beispielsweise keine spezifischen Förderungen für Migranten mehr vor. Es gibt umfangreiche Kürzungen vor allem im Weiterbildungs- und Qualifizierungsbereich. „Wir versuchen in unserer Arbeit, gerade die Langzeitarbeitslosen zu motivieren, nicht in Lethargie oder Aggression zu verfallen, sondern aktiv zu werden und die Angebote vom Arbeitsamt zu nutzen“, schildert TBB-Projektleiter Hans-Günther Kleffl. „Seit einigen Wochen kommen sie von dort aber fast nur noch mit Absagen zurück.“

Der Türkische Bund setzt sich für die Gleichstellung ethnischer Minderheiten ein und vertritt die Interessen der hier lebenden Menschen türkischer Herkunft. Er führt Berufsförderungsprojekte, besonders auch für Jugendliche, durch.

Auch die Türkin Servet Cirik wandte sich an den Verein, nachdem sie vom Arbeitsamt eine zugesagte Umschulung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel nicht bewilligt bekommen hatte. Mit 41 Jahren sei sie zu alt für die Umschulung, das Höchstalter liegt bei 35 Jahren. Servet Cirik hat viel versucht. Vor 13 Jahren kam die gelernte Steuerberaterin mit ihrem Mann nach Deutschland, war lange Hausfrau. „Ich will wieder arbeiten, zu Hause komme ich mir nutzlos vor“, sagt sie. Nach einer Feststellungsmaßnahme absolvierte sie einen Deutschkurs und ein Qualifizierungsprogramm für Büroberufe. Nun sollte die Umschulung folgen. „Mein Mann ist auch arbeitslos. Ich weiß nicht weiter“, so Servet Cirik. „Ohne das Arbeitsamt schaffe ich es nicht.“

Die neuen Richtlinien betreffen laut Safter Cinar besonders zwei Gruppen: „zum einen die hier Geborenen, die in Deutschland aufgewachsen sind, aber vom Bildungssystem nicht aufgefangen werden“, so der TBB-Sprecher. „Die zweite Gruppe sind nachgezogene Ehepartner.“ Die Politik der Bundesregierung bezeichnet er als fragwürdig: „Langzeitarbeitslose werden ausgeschlossen.“ Sie würden finanziell zunehmend in das an Sozialhilfeleistungen angepasste Arbeitslosengeld II gedrängt, berufliche Weiterbildung bleibe ihnen verwährt. JULIANE GRINGER