Viele Demokraten wählen ganz pragmatisch

Es geht nicht nur um Übereinstimmung mit dem Kandidaten, es geht vor allem um die Frage, wer kann Bush schlagen?

WASHINGTON taz ■ Eines wollen sie vermeiden: die Wahldebakel der Vergangenheit zu wiederholen. Was waren das für Schlappen, als ehemalige Präsidentschaftskandidaten wie George McGovern 1972, Walter Mondale 1984 oder Michael Dukakis 1988 scheiterten, obwohl sie alle Lieblinge der Partei waren. Seither stehen sie für die bittere Lektion, wie Demokraten das Weiße Haus nicht erobern können.

Viele Parteigänger sind vorsichtig geworden. Nicht mehr nur der Kandidat, der aus dem Herzen spricht und mit dem man übereinstimmt, wird ins Kalkül gezogen und kriegt die Stimme, sondern vor allem derjenige, von dem man überzeugt ist, dass er gegen Bush gewinnen kann. „Bush muss weg. Dies ist das Hauptziel. Der Kandidat ist nur noch Mittel zum Zweck“, erklärt Dick Bennett von der American Research Group, die in New Hampshire Wählerbefragungen durchführt.

Noch nie war die Stimmung unter den Demokraten so aufgeheizt wie dieses Wahljahr, noch nie waren die Demokraten so erpicht, den Amtsinhaber aus dem Weißen Haus zu jagen. Immer noch fühlen sie sich um die Wahl 2000 betrogen. Sie verabscheuen Bushs radikal-konservative Agenda, den Irakkrieg und seine Handlangerdienste für das „Big Business“.

Zwar behauptet natürlich jeder Herausforderer von sich, dass er die Mehrheit der Amerikaner hinter sich bringen kann und der einzige ist, der Bush schlagen kann. Auch die Zunft der Politgurus und das Establishment sind unsicher. Sie konnten sich auf keinen Kandidaten einigen. Clinton wartet ab, seine Empfehlung zu geben. Radikale Kriegs- und Bush-Gegner wie Michael Moore stellten sich überraschend auf die Seite von Wesley Clarke, obwohl er doch in das Lager eines Howard Dean besser passen würde. Doch er sieht in Clarke den chancenreicheren Kandidaten.

Die Wähler in Iowa haben dieses Thema mit der ihnen eigenen Weisheit entschieden. Sie gaben ihre Stimme Senator John Kerry aus Massachusetts, dem tatsächlich eine Mehrheit aller US-Bürger nach letzten Umfragen zutraut, Bush zu schlagen. Nur 16 Prozent der Wähler glauben jedoch, dass Howard Dean eine Chance gegen Bush hat. Viele Demokraten sympathisieren stärker mit dem Außenseiter Dean, dessen unverblümte Art und konsequente Antikriegshaltung sie schätzen, zweifeln jedoch stets an seiner Wählbarkeit.

Dieser Zwiespalt wurzelt in der Wahl-Dynamik der Demokraten. Es gilt, die Nominierung erhält am ehesten derjenige, der eingefleischte Wähler und Aktivisten für sich gewinnen kann. Oftmals bewegen sich die Kandidaten dabei nach links. Vor dem eigentlichen Urnengang bedient der Herausforderer dann wieder stärker die politische Mitte, um unabhängige und unschlüssige Wähler zu gewinnen.

Und das ist das Kalkül. „Nominierten die Demokraten in den vergangenen 25 Jahren einen Kandidaten, der sich in der politischen Mitte befand, waren sie erfolgreich“, sagt Mark Wrighton von der University of New Hampshire. So geschehen mit Jimmy Carter und Bill Clinton.

Den damals unbekannten Gouverneur aus Arkansas hielten zunächst viele Demokraten 1992, als er sich um die Nominierung bewarb, nicht für wählbar. Doch dann profilierte er sich. Befragt, welche Qualitäten demokratische Wähler dieses Jahr in ihrem Wunschkandidaten suchen, nannten 26 Prozent als Haupteigenschaft Integrität, gefolgt von Führungsstärke und Wählbarkeit. Viele sind besorgt über den Zustand der Wirtschaft, das Gesundheitssystem und die Nachkriegssituation im Irak. Bush ist für sie der Grund allen Übels. Jeder Kandidat, der ihn schlagen kann, wird der Kandidat für alle sein. MICHAEL STRECK