Überdosis Freizeit

Gibt es ein „Leben nach Microsoft“? Eigentlich nicht: Denn Bill Gates’ ehemalige Schergen leiden an Luxus und Langeweile (So., 21.15 Uhr, 3Sat)

von AGNES CIUPERCA

„Programmieren heißt leben.“ Und was nach dem Programmieren bleibt, ist Leere und jede Menge Geld. Zumindest für die gehetzten Mitarbeiter vom Software-Giganten Microsoft. Millionen von Dollar entschädigten sie für die totale Unterwerfung unter das sportliche Diktat von mehr als 80 Stunden Schufterei in der Woche.

Nach meist weniger als 8 Jahren entkamen sie der Bill-Gates-Maschinerie. Ausgebrannt und vom Geldregen der 90er überschüttet. Das „Leben nach Microsoft“ heißt die Dokumentation, die sechs ehemalige Mitarbeiter des Konzerns bei ihren alltäglichen banalen Verrichtungen scannt. Joggen, Comics zeichnen, Unterrichten oder Klavierspielen. In Gesprächen berichten die Exprogrammierer vom Drill auf dem Firmencampus. Getränke und Essen auf Firmenkosten, dafür aber keine Freizeit, Überstunden und kaum Freunde: Zuckerbrot und Peitsche sind das A und O der Arbeitsphilosophie von Microsoft. Der Film von Corinna Belz und Regina Schilling zeigt 110 Minuten das heute meist sinnentleerte Leben der ehemaligen Computergenies. Was macht ein abservierter Millionär Ende 30 mit seinem Leben, wenn „sich alles in diesem Land um die Verpflichtung zu arbeiten dreht“? Walt Moore beispielsweise, einer der Entwickler für das Betriebssystem „Windows 1“, hat ein riesiges Haus gebaut. Auf hunderten von Quadratmetern Langeweile. Überhaupt scheinen die ausgewählten Exmicrosofties nach ihrem Rückzug aus dem Programmierimperium an der Überdosis Freizeit fast draufzugehen. Die Fallstudie spricht jedoch nicht für alle liegen gebliebenen Informatiker. Auch das mitgenommene Geld war nur eine Entschädigung der Anfangsjahre. Das frühe Rentnerdasein versüßt es allemal.

Die Analyse des Software-Imperiums Bill Gates’ zeigt die Facetten des frühen New-Economy-Booms. Doch das Bedauern fällt in diesem Fall schwer. Millionäre als Opfer? Genau an dieser Stelle wenden sich alle 08/15-Angestellten und Arbeitslosen des gleichen Kalibers degoutiert ab.

Sehenswert, besonders für solche Arbeitnehmer, sind aber die Erzählungen über die Arbeitspraktiken des Kapitalistenregimes von Gates. Dass am Ende Geld nicht glücklich macht, ist keine neue Weisheit, doch tragen die Protagonisten selbst Verantwortung für ihre Lage. Wenn es eine Abkehr von der Arbeit gibt, dann doch nur zu gern als Luxusarbeitsloser. Dieser Blick auf die Situtation der Spezialisten bleibt dem Zuschauer im Film versagt. Heißgemacht und fallen gelassen: Der Aufprall ins wirkliche Leben ist hart, doch das Geldkissen fängt den härtesten Stoß sanft ab.