Die Gewerkschaft will nicht schuld sein

DGB-Vizechefin Engelen-Kefer weist den Vorwurf zurück, sie habe Behördenchef Gerster aus Eigeninteresse abgesägt

BERLIN taz ■ Der DGB ging gestern in die Offensive. Noch länger wollte sich Vizechefin Ursula Engelen-Kefer nicht anhören, dass sie angeblich eine „Kampagne“ gegen Florian Gerster gestartet habe, um ihn als Chef der Bundesagentur für Arbeit abzulösen. Die Vorsitzende des Verwaltungsrats schob die Schuld an Gerster zurück. „Trotz ständigen Drängens“ habe er es versäumt, sich von den Vorgängen im Haus „ein Bild zu verschaffen“.

Im November war herausgekommen, dass Gerster ohne Ausschreibung einen Millionenvertrag an die Beraterfirma WMP vergeben hatte. Doch selbst danach habe Gerster das interne Risikomanagement nicht verbessert, warf ihm Engelen-Kefer gestern vor. „Die Verantwortung wurde immer auf andere abgeschoben.“ Manche Leute im Verwaltungsrat fassen das Problem auch so zusammen: „Gerster verhielt sich wie ein Minister, nicht wie ein Behördenleiter.“

Als dann Mitte Januar neue Verträge auftauchten, die nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben waren, hatte der 21-köpfige Verwaltungsrat genug von der Arroganz ihres Untergebenen. Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und öffentlicher Hand beschlossen mit nur einer Gegenstimme, Gerster abzulösen. Doch Engelen-Kefer beließ es gestern nicht dabei, die „Person Gerster“ zu analysieren. Sie setzte sich auch inhaltlich mit dem Vorwurf auseinander, Gewerkschaften und Arbeitgeber hätten den Behördenchef nur abgesägt, weil sie um ihre Weiterbildungspfründen fürchteten.

Argument eins: Die DGB-Bildungsträger seien als gemeinnützig anerkannt und würden keine Gewinne erwirtschaften. Im Gegenteil. Die Deutsche Angestellten-Akademie und das Berufsfortbildungswerk hätten sogar Defizite eingefahren, weil sie sich besonders um benachteiligte Jugendliche und schwer vermittelbare Arbeitnehmer kümmerten.

Argument zwei: Die DGB-Bildungswerke seien keinesfalls marktbeherrschend. Die Akademie erwirtschaftete 2002 einen Umsatz von 220 Millionen Euro, beim Fortbildungswerk waren es 120 Millionen Euro. Insgesamt gaben die Arbeitsämter in jenem Jahr aber 2,7 Milliarden Euro für die Weiterbildung aus. Grob geschätzt erhielten die DGB-Bildungswerke also nur ein Zehntel der Weiterbildungsgelder. Der Rest ging an freie Träger – und an die Fortbildungsinstitute der Arbeitgeber. Das größte ist das „Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft“. Ebenfalls gemeinnützig, machte es 2002 einen Umsatz von 230 Millionen Euro. Allerdings kam davon nur die Hälfte von den Arbeitsämtern, bei der gewerkschaftseigenen Angestellten-Akademie waren es 90 Prozent.

Und schließlich Engelen-Kefers Argument drei: Bereits im vorigen Jahr ist der Nürnberger Weiterbildungsetat von 2,7 auf 2 Milliarden Euro gesunken. Das hätten die Gewerkschaften immer akzeptiert. Genau wie die Arbeitgeber. Deren bayerisches Bildungswerk hat sich erfolgreich nach Kompensationsgeschäften umgesehen. Dazu gehören 2.000 Leiharbeitsplätze, die vom Arbeitsamt gefördert werden. Aber auch Ganztagsbetreuung in Schulen bietet man verstärkt an. ULRIKE HERRMANN