Liechtensteins Fürst bittet zur Wahl

Abstimmung über neuen Verfassungsentwurf könnte dem Fürstenhaus noch größere Vollmachten einräumen

BERLIN taz ■ Von gestern bis morgen sollen in Liechtenstein rund 16.800 Stimmberechtigte über eine Verfassungsänderung abstimmen. Zur Wahl stehen zwei Vorschläge: Der so genannte Verfassungsfrieden, der auf eine Bürgerinitiative zurückgeht und eine moderate Ausweitung der Volksrechte anstrebt, und eine Initiative des Fürstenhauses, die dem Fürsten mehr Vollmachten einräumt.

Dabei verfügt „Seine Durchlaucht Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein“, wie er offiziell heißt, bereits jetzt über mehr Macht als jeder andere Monarch in Europa. Schon nach der jetzigen Verfassung hat der letzte Erbmonarch im deutschsprachigen Raum das Recht, Gesetze zu verhindern, Verurteilte zu begnadigen und den Landtag aufzulösen. Bei Annahme seiner Initiative wird er noch die Regierung absetzen und eine genehmere Notstandsregierung einsetzen können sowie mehr Einfluss bei der Richterauswahl haben. Das würde die gleichzeitige Kontrolle von Exekutive, Legislative und Judikative bedeuten.

Das Fürstenhaus sieht das natürlich anders. Bei der Neugestaltung der Richterauswahl gehe es nur darum, die besten Kandidaten zu bestimmen. „Das war leider bis jetzt nicht immer der Fall“, erklärte Hans-Adam II. „Die Besetzung von Höchstgerichten richtete sich nach dem Parteienproporz.“ Es gehe ihm überhaupt nicht um persönliche Macht. Quasi als Beweis kündigte der Fürst an, bei Annahme seiner Initiative den Platz für Erbprinz Alois frei zu machen. Als revolutionär stellte er eine Klausel in seinem Verfassungsentwurf dar, derzufolge künftig 1.500 Unterschriften für eine Abstimmung über die Abschaffung der Monarchie genügen.

Die Gegner der Fürsteninitiative hingegen befürchten einen Rückfall in spätabsolutistische Zeiten. Unterstützt werden sie von der Europäischen Kommission für Demokratie durch Rechtsstaatlichkeit, der so genannten Venedig-Kommission. Die bewertet den fürstlichen Verfassungsentwurf als „schwer wiegenden Rückschritt“, der „zur Isolation Liechtensteins innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft führen“ könne. Trotzdem muss Hans-Adam II. das anstehende Referendum nicht fürchten. Laut nie veröffentlichten Umfragen stimmen angeblich drei Viertel der Bevölkerung der Fürsteninitiative zu. Hans-Adam II. ist bei seinen Untertanen sehr beliebt. Er wird für den großen Wohlstand und eine Arbeitslosenquote von nur 1,2 Prozent verantwortlich gemacht.

JAKOB SCHLINK