Lob nur fürs linke Spektrum

Hamburger Wahlkampf: Muslime fordern mehr gesellschaftliche Beteiligung. Kritik an „Arroganz“ der großen Parteien, Lob an die kleinen für Tolerierung des Kopftuchs. Lehrergewerkschaft GEW fordert Regierungswechsel und 1.000 neue Kollegen

von EVA WEIKERT

Im Kampf um die Bürgerschaftswahl am 29. Februar melden sich jetzt die Hamburger Muslime zu Wort. „Unsere Stimmen bekommt die Partei, die das beste Konzept für deren gesellschaftliche Beteiligung hat“, verspricht Mustafa Yoldas vom Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland (BIG). Ausdrückliches Lob des BIG erhalten GAL, PDS und FDP, weil diese kein Kopftuchverbot im Programm hätten. Den großen Parteien wirft das BIG „Arroganz“ vor: „Die denken, sie haben unsere Stimmen nicht nötig“, klagt Yoldas. So beschränke CDU-Bürgermeister Ole von Beust seine Liberalität auf die Schirmherrschaft für den Christopher-Street-Day. Yoldas: „Wir haben keine Lobby.“

Zu den wichtigsten Forderungen der etwa 130.000 Hamburger Muslime gehöre die Tolerierung des Kopftuches im öffentlichen Dienst. „Weder der Zwang zum Tragen noch zum Ablegen des Tuchs ist mit den Grundrechten vereinbar“, mahnt BIG-Vize Ahmet Yazici. Bei einem Verbot drohten Parallelwelten, in denen Muslime eigene Schulen und Kitas betrieben: „Integration darf weder Rückzug noch Assimilation bedeuten“, warnt das BIG.

Zu Kompromissen ruft es darum „beide Seiten“ auf, etwa beim Streit über die Teilnahme muslimischer SchülerInnen am Sexualkundeunterricht. Zu billigen sei dieser, solange „mit Respekt vor den Werten aller Religionen“ unterrichtet würde. „Eltern dürfen nicht den Fehler machen, ihr Anliegen als Norm aller Muslime zu formulieren“, mahnt Yoldas.

Er appelliert an die Parteien, ihren Wahlkampf „nicht auf dem Rücken der Muslime auszutragen“. Als Beispiel für „Stimmenfang am rechten Rand“ führt das BIG den Stopp eines Moscheebaus durch die Harburger Bezirksversammlung an. Darüber muss jetzt der Senat entscheiden. „Nicht einmal ein Umzug einer islamischen Gemeinde einige Straßen weiter wird in dieser Stadt geduldet“, rügt das BIG. Auch der Integrationsbeirat sei ein Beispiel dafür, dass Muslime „keine Stimme haben“, denn dorthin berief der Senat keinen islamischen Vertreter. Noch vor der Wahl will das BIG selbst ein Integrationskonzept vorlegen.

GEW will den Wechsel

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schaltet sich in den Wahlkampf ein. Die Qualität von Bildung hätte sich unter dem Rechts-Senat „deutlich verschlechtert“, rügt Hamburgs GEW-Chefin Stephanie Odenwald. Zwar habe etwa der Abbau von Lehrerstellen unter Rot-Grün begonnen. Gleichwohl „ist ein Regierungswechsel nötig“, sagt Odenwald, ohne eine ausdrückliche Wahlempfehlung zu geben.

Als Beispiel „schlechter“ Bildungspolitik von Schwarz-Schill nennt die Gewerkschaft den Mangel an Kita-Plätzen und Lehrerstellen. Der Staat müsse die vorschulische Bildung kostenlos und jedem Kind einen Kita-Platz anbieten. Drei Forderungen stellt die GEW für die Schulen heraus: Wegen steigender Schülerzahlen und Reformen wie Schulzeitverkürzung und der Einführung von Ganztagsschulen fehlten etwa 1.000 Lehrerstellen: „Die müssen neu geschaffen werden“, verlangt Odenwald.

Zugleich solle das vom früheren Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) angeordnete Arbeitszeitmodell für Lehrer „vom Tisch“, und das dreigliedrige Schulsystem zu Gunsten „einer Schule für alle“ müsse zurückgefahren werden. Zwölf Prozent aller Hamburger Schüler erreichen laut GEW keinen Abschluss: „Mehr Chancengleichheit“, so Odenwald, könne nur erreicht werden, wenn alle Hamburger SchülerInnen bis zur zehnten Klasse gemeinsam unterrichtet würden.

In der Hochschulpolitik wünscht sich die Gewerkschaft das Verbot jeglicher Studiengebühren. Denn diese verminderten Bildungschancen. Zudem verlangt die GEW, auf die Teilung der Uni-Ausbildung in kürzere Bachelorstudiengänge für eine Mehrheit und Masterstudiengänge für eine Minderheit zu verzichten.