„Ich kann nur Schach gut“

Weltmeister Wladimir Kramnik spielt heute am Lago Maggiore gleichzeitig gegen die komplette deutsche Nationalmannschaft. Die findet der Russe prinzipiell nett – zu nett, um wirklich Weltklasse zu sein

Vier gegen einen: Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik misst sich heute am Lago Maggiore mit der kompletten deutschen Nationalmannschaft. Die war 2000 immerhin die zweitbeste auf dem Globus. Das Uhrenhandikap-Simultan im schweizerischen Brissago ist für den 28-jährigen Russen eine besondere Herausforderung. Sitzt Kramnik an einem Brett, können im ungünstigsten Fall auch die Uhren an den drei anderen ticken. Somit sind schnelle und gute Entscheidungen gegen die vier deutschen Großmeister Robert Hübner, Christopher Lutz, Rustem Dautov und Klaus Bischoff gefordert.

taz: Beim Turnier im niederländischen Wijk aan Zee lief es für Sie mit einem Platz im Mittelfeld alles andere als gut. Wie wollen Sie da gegen ein deutsches Quartett bestehen?

Wladimir Kramnik: Ich rechne mit einem knappen Ausgang. Vor vier Jahren gewann ich ein ähnliches Match gegen die schweizerische Nationalmannschaft mit 4:2. Die war aber nicht so stark wie jetzt die deutsche, weshalb ich damals an sechs Brettern spielen konnte. Mit einem 2,5:1,5-Sieg wäre ich hochzufrieden. Ein 2:2 würde mich auch nicht unglücklich machen. Natürlich will ich nicht verlieren, auch wenn mir die vier deutschen Großmeister alle sympathisch sind.

Spitzenspieler Christopher Lutz hatten Sie schon in Ihrem Sekundantenteam.

Ja, bei meinem 4:4 gegen das Computerprogramm Fritz in Bahrain fungierte Christopher als mein Trainer. Er spielt auf hohem Niveau, hat ein tiefes Verständnis.

Trotzdem hat es dem Kölner nie ganz gereicht, um in die absolute Weltspitze vorzustoßen.

Ich denke, er ist ein zu guter Mensch, freundlich, nett und weich. Er kämpft weniger hart als manch anderer Gegner. Zudem ist er nicht nur auf Schach fixiert wie viele Großmeister, sondern arbeitet auch wissenschaftlich mit Computern. Für die Top Ten muss man Schach leben, Tag und Nacht nichts anderes denken und machen.

Das heißt, Sie sind ein übler Bursche, der deswegen Weltmeister ist?

Ich hoffe nicht und glaube, dass ich einen positiven Charakter besitze. Ich arbeite eben, anders als Christopher, täglich am Brett. Für mich ist Schach die Hauptsache.

Der 55-jährige Robert Hübner ist auch so ein Fall und hat es wohl deshalb nie in seinen Glanzzeiten zum Weltmeister gebracht.

In der Tat, für ihn gilt wie für Christopher, dass er zu nett ist. Er gilt auch als Sprachforscher als Koryphäe. Das ist sein Problem. Ich hab’s einfacher: Ich kann nur Schach gut (grinst). Wenn der Rest katastrophal ausfällt, macht’s das einfacher, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren (lacht). Robert war mehr Amateur als Profi und spielt inzwischen nicht mehr viel, aber einst zählte er zu den besten drei Großmeistern der Welt. Ich erinnere mich an 1992, als ich als Kind in Dortmund zuschaute, wie er dort Weltmeister Garri Kasparow eindrucksvoll schlug. Ich respektiere ihn, er wird für immer einen Ehrenplatz in der Schach-Geschichte innehaben.

Ein frühes Unentschieden in einer der vier Partien wäre für Sie von Vorteil. Sie könnten sich dann mehr auf das verbleibende Trio konzentrieren. Die Taktik hat sich bewährt, als Kasparow 1991 das deutsche Quartett in Baden-Baden mit 3:1 schlug.

Nein, ich will kein frühes Remis. Sollte ich irgendwo leichten Vorteil in diesem Simultan haben, will ich diesen auch nutzen. Zudem bezweifle ich, dass die Deutschen Interesse an frühen Unentschieden haben. Auch wenn Kasparow von dem frühen Remis profitierte, verzeichnete er damals ein sehr gutes Resultat. Meine Aufgabe ist aber noch schwieriger.

INTERVIEW: HARTMUT METZ