„Der Drogenkrieg der USA ist eine Farce“, sagt Walter Fanganiello Maierovich

Die Regierung Lula schaut den Hegemoniebestrebungen der Vereinigten Staaten in Lateinamerika tatenlos zu

Die USA verschärfen ihren „Drogenkrieg“ in Lateinamerika. Hält die brasilianische Regierung dagegen?

Nein, Lula hat bisher nichts unternommen, obwohl er, als Präsidentschaftskandidat, 1998 anlässlich der UNO-Drogenkonferenz ein Manifest für eine Änderung der internationalen Drogenpolitik mitunterzeichnet hatte, die seit der Konvention von New York aus dem Jahr 1961 dem US-Kurs folgt.

Dabei ist diese Politik doch gescheitert …

Dieser „Drogenkrieg“ ist eine Farce. Seit der Präsidentschaft von Richard Nixon benutzen die USA die illegalen Drogen dazu, um ihre strategischen, hegemonialen und politischen Interessen zu kaschieren. In Afghanistan etwa, das sich dem IWF zufolge in einen Narco-Staat verwandelt, tolerieren sie den Heroinhandel mit dem Argument der Terrorismusgefahr. Der wahre Grund ist, dass das afghanische Heroin gar nicht in die USA gelangt.

In Kolumbien pflegen die Vereinigten Staaten einen anderen Diskurs. Sie unterstützen Präsident Álvaro Uribe und lassen Koka- und nahe gelegene Lebensmittelfelder mit Pflanzengift besprühen – mit fatalen ökologischen Folgen.

Ebenso unterstützten sie den bolivianischen Exdiktator Hugo Bánzer, der enge Beziehungen zum Drogenhandel pflegte. Der „Plan Würde“, mit dem auf dem Papier in der Chapare-Region der alternative Anbau gefördert werden sollte, war ein Fehlschlag. Er bereitete Korruption und Massakern durch die Soldaten Bánzers den Weg.

Und Brasilien schaut einfach nur zu?

Lula trägt weiterhin Washingtons Verbotspolitik mit. Bisher sieht es nicht danach aus, dass er umsteuern würde. Das entsprechende Sekretariat steht unter dem Einfluss der Militärs, und die haben die gleiche kriminalisierende, dämonisierende Sichtweise wie die USA: Drogen als eine Gefahr, die von außen kommt.

Und dass die darauf folgende Militarisierung eine Gefahr für die Souveränität der lateinamerikanischen Staaten sein könnte, wird nicht gesehen?

Nein, die Militärs wollen nicht wahrhaben, dass die US-Amerikaner die Drogenpolitik dazu nutzen, um sich einzumischen. Ein Beispiel: Nach der Rückgabe des Panamakanals Ende 1999 haben die USA vier Militärbasen in Lateinamerika eröffnet: auf Aruba und Curaçao, in Manta (Ecuador) und Iquitos (Peru), angeblich alle für den Drogenkrieg. Die Resultate sind aber praktisch null.

Wie beurteilen Sie die Bezeichnung der Farc-Guerilla als „Narco-Terroristen“?

Zweifellos bedienen sich die Farc terroristischer Methoden. Und ebenso wie die Paramilitärs „besteuern“ sie Kokain, Heroin und Marihuana. Doch „Narco-Terroristen“ ist das Etikett, das die USA den Farc aufkleben wollen. Die Farc sind Aufständische, die in Kolumbien für ein neues Regime kämpfen, das ist eine politische Frage. Diego Montoya Sánchez, der derzeit größte Drogenbaron, wird hingegen nicht verhaftet, weil er die rechten Paramilitärs finanziert.

In den vergangenen drei Jahren hat Washington fast drei Milliarden Dollar in das angebliche Drogenbekämpfungsprogramm „Plan Colombia“ gesteckt. Mit nennenswertem Erfolg?

Nein, die Reduzierung der Anbauflächen in Kolumbien bleibt wirkungslos. Viele Kokapflanzungen sind wieder nach Peru und Bolivien abgewandert, und zwar mehr als die 37 Prozent, die in Kolumbien vernichtet worden sind. Der „Plan Colombia“ ist gescheitert. Unter dem Etikett „Andine“-Drogeninitiative will George W. Bush nun andere Regierungen dazu bewegen, die linken Guerillagruppen Farc und ELN zu bekämpfen.

Neben der kriminellen und geostrategischen gibt es ja auch noch eine nicht zu vernachlässigende wirtschaftliche Dimension des Drogenproblems.

Ja, nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden jährlich zwischen 300 und 400 Milliarden Drogendollar über das internationale Banken- und Finanzsystem gewaschen.

Nach dem 11. 9. 2001 wurden harte Maßnahmen gegen die Geldwäsche angekündigt. Was ist daraus geworden?

Wenig. Soeben hat die US-Regierungsbehörde „General Accounting Office“ in ihrem Jahresbericht 2003 festgestellt, dass es der Regierung Bush nicht gelungen ist, die Geldwaschanlagen der Terrororganisationen zu identifizieren. Auch die 1989 gegründete „Task Force gegen Geldwäsche“ der G 7 (Gafi) ist erfolglos geblieben.

Was ist für Sie in der Drogenpolitik die positivste Entwicklung der letzten Jahre ?

Die Tatsache, dass sich die europäischen Länder allmählich von den UNO-Drogenkonventionen aus den Jahren 1961, 1971 und 1998 lösen, die der US-amerikanischen Linie folgen. Die USA sind Nachfrage-Weltmeister, bei ihren Strategien zur Reduzierung des Konsums sind sie auf dem Holzweg. Die Europäer hingegen gehen ihren eigenen Weg, zum Beispiel beim Pill Testing oder mit den Drogenkonsumräumen in Holland, Deutschland oder Spanien. Die grundsätzlich humanitären Sorgen, die dahinter stecken, sind das Gegenteil der „dummen“ Verbotspolitik Bushs und seines Antidrogenzars John Walters.

INTERVIEW: GERHARD DILGER