MAUT: TOLL COLLECT BLEIBT, STOLPE HANDELT RICHTIG
: Letzte Chancen im Debakel

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass Toll Collect der Regierung das Blaue vom Himmel versprach, dann ist er jetzt da. Ein ganzes Jahr müssen wir noch auf den Start der Maut warten. Telekom und DaimlerChrysler haben ganz offensichtlich den Aufwand des Mautsystems heruntergespielt. Trotzdem ist es richtig, dass Verkehrsminister Manfred Stolpe den Vertrag nicht kündigt.

Die Maut verfolgte drei Zwecke. Sie sollte erstens Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Sie sollte zweitens den Schwerlastverkehr endlich gerecht an den Kosten des Straßenbaus beteiligen. Drittens sollte die deutsche Industrie ein kluges Mautsystem zum Exportschlager entwickeln. Schließlich will die EU-Kommission ab 2012 europaweit die Maut nur noch satellitengestützt erheben lassen.

Toll Collect hat all diesen Zielen geschadet: Die rot-grüne Verkehrspolitik ist bloßgestellt, denn die Maut war neben der Förderung der Bahn das einzige weithin akzeptierte Projekt. Nun scheitern beide, weil Stolpe aus Geldmangel ausgerechnet bei der Bahn spart. Es ist kaum noch anzunehmen, das Rot-Grün in dieser Legislaturperiode auf diesem Desaster noch irgendetwas Neues errichten kann. Außerdem bringt Toll Collects Schlamperei nun ausgerechnet den Plan der EU-Kommission ins Wanken, auf dem die Renditehoffnungen der Mautkassierer ruhen: Das EU-Parlament will eine Festlegung auf ein bestimmtes System bereits mit Hinweis auf die deutschen Probleme verschieben.

Dennoch ist der Plan nicht gescheitert. Früher oder später wird es ein vereinheitlichtes europäisches Mautsystem geben. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Probleme, die Nachahmer abschrecken dürften, könnte die deutsche Industrie auch in ein paar Jahren noch führend sein. Es ist daher gut, dass sie sich nun die Zeit nimmt, die sie offenbar braucht. Wenn die satellitengestützte Maut erst funktioniert, erhalten die Verkehrspolitiker ein Instrument, mit dem sie auch den Pkw-Verkehr geschickt steuern können – mit tageszeit- und wegabhängigen Gebühren. Das ist allemal besser, als immer nur neue Straßen zu bauen oder auf ein Bahn-Wunder zu warten. MATTHIAS URBACH