„Ohne Streik wären wir der Oberknecht“

Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück verteidigt die Warnstreiks der IG Metall: „Wir müssen den Arbeitgebern signalisieren, dass sie ihre Provokationen lieber bleiben lassen sollten.“ Dennoch bevorzugt er eine Lösung des Tarifstreits am Verhandlungstisch

INTERVIEW THILO KNOTT

taz: Herr Hück, die IG Metall hat Warnstreiks begonnen. Wie lautet denn Ihre Warnung?

Uwe Hück: Das Lohn-Thema darf nicht mit dem Thema Arbeitszeit vermischt werden!

Die IG Metall bleibt also dabei, nur über Löhne zu reden?

Ja, denn wir befinden uns derzeit in Tarifverhandlungen über Lohn und Gehalt. Deshalb müssen diese zuerst geführt und abgeschlossen werden, bevor das Thema Arbeitszeit angegangen wird. Unter dieser Voraussetzung wäre die IG Metall auch bereit, über Arbeitszeit zu reden. Aber die Themen müssen geordnet angegangen werden, aber nicht mit dem Ziel, Arbeitsplätze abzubauen.

Warum so unflexibel?

Was heißt „so unflexibel“? Das ist doch keine Frage der Flexibilität, sondern der Spielregeln, die eine Stabilität und Planungssicherheit überhaupt erst ermöglichen. Nur mal angenommen: Die IG Metall schließt mit den Arbeitgebern einen Lohntarifvertrag über zwei Jahre ab. Ich kann als Gewerkschaft auch nicht nach einem Jahr ankommen und sagen: Ich will mehr Geld, weil die Konjunktur angezogen hat.

Was versprechen Sie sich von Warnstreiks?

Die Arbeitgeberseite muss merken, dass sie es nicht nur mit einer kleinen Verhandlungsgruppe der IG Metall zu tun hat, sondern auch mit den Arbeitnehmern in den Betrieben. Die sagen auch: Diesen Weg, die Verhandlungen über Lohn und Gehalt mit dem Thema Arbeitszeit zu vermischen, können und wollen wir nicht gehen! Dabei sehe ich aber Streik an sich nicht als ultimatives Lösungsinstrument an.

Sie wollen keinen Streik?

Langsam, Streik ist ein grundlegendes und wichtiges Recht! Wenn wir dazu gezwungen werden, müssen wir auch streiken. Denn den Arbeitgebern muss mit Warnstreiks signalisiert werden: Lasst die Provokationen lieber bleiben und lasst uns versuchen, diese Tarifrunde am Verhandlungstisch zu beenden.

Aber die Arbeitgeber scheuen offenbar keinen Streik, sonst wäre das Angebot vom vergangenen Freitag vielleicht nicht ganz so dürftig ausgefallen?

Das liegt vielleicht an der Wahrnehmung der Arbeitgeber. Letztes Jahr hat die IG Metall im Streik Ost eine herbe Niederlage erlitten. Vielleicht fragen sich die Arbeitgeber deshalb: Können wir die IG Metall jetzt knacken?

Und, können sie das?

Es wäre unvernünftig, zu behaupten, die IG Metall hätte momentan die Stärke, gesellschaftliche Gestaltung und Verantwortung übernehmen zu können. Aber die IG Metall kann man nicht knacken! Und die IG Metall übernimmt die Verantwortung für die Arbeitnehmer, die zu wichtig ist, als dass ein Kräftespiel aus Lust und Tollerei angebracht wäre.

Beim Ost-Streik war die Sorge um den Arbeitsplatz größer als die Bereitschaft, für die 35-Stunden-Woche zu kämpfen. Befürchten Sie, dass einen Streik auch jetzt niemand verstehen wird?

Nein, weil die Situation in keiner Weise vergleichbar ist. Neben allen unterschiedlichen Rahmenbedingungen ist unser Thema momentan nicht Arbeitszeit, wie es im Osten der Fall war, sondern nur Lohn und Gehalt. Vier Prozent als Forderung sind erträglich. Und noch etwas: Wie soll ich denn das bewerten, den Menschen erklären zu wollen, ihr bekommt nicht mehr Geld, müsst aber dafür mehr arbeiten.

Ist denn Streik noch ein zeitgemäßes Mittel in einer Gesellschaft, in der vieles über Konsens geregelt wird?

Bei Porsche haben wir eine konstruktive Streitkultur: Wir respektieren uns und werden keinesfalls unsere Firma schädigen. Das ist aber nicht überall in der Fläche vorauszusetzen. Deshalb ist es gut, dass es konfliktfähige Tarifparteien gibt. Ohne die Möglichkeit des Streiks wäre die IG Metall nur der Oberknecht, wie im 18. Jahrhundert, der dann dem Knecht sagen muss, was der Bauer verordnet hat.