berliner szenen Freunde und Helfer (IV)

Krank, aber kampfbereit

„Oh, mein Gott! Wie sehen Sie denn aus!?“ Nichts kann mich stärker faszinieren als die unregelmäßigen Besuche bei meiner Hausärztin. Jedes Mal verwechselt mich bereits die Sprechstundenhilfe mit einem Herrn Wagner aus der Driesener Straße. Ein ehemaliger Eiskunstläufer, der mir überhaupt nicht ähnlich sieht. Vielleicht die Brille. Doch wenn das Wartezimmer rappeldicke voll ist, lässt man sich einiges gefallen. Durch eine wattierte Doppeltür wurde ich auch diesmal wieder direkt ins Behandlungszimmer geleitet.

„Ach herrje! Sie sind ja nicht mehr Sie selbst!“ So ganz falsch war die Spontandiagnose nicht – seit kurzem spielte meine Verdauung verrückt, schon beim Gedanken an Essen wurde mir übel. Irgendwelche Magentropfen hätten natürlich vollkommen gereicht. Die Ärztin aber wollte wieder alles ganz genau wissen und schlug ihren Notizblock auf. „Wann was gestern gegessen!?“ – „Zum Frühstück Kuchen und Smarties.“ – „Aha. Mittagessen!?“ –„Mozzarella-Baguette.“ – „Ach was! Abends!?“ Ich überlegte kurz: „Nur ’n Köpi, ’ne Cola und ein Vitamalz, ich war noch im Acud …“ Die Ärztin horchte auf: „Welche Band hat gespielt!?“ – „Deine Dosen.“ Jetzt wollte die glatt noch wissen, was die für Musik machen. Meinen Ohren ging’s aber doch ganz gut. Ich stammelte: „Rock. Deine Dose rockt. Rockdosenpop.“ Die Ärztin notierte sich das ebenfalls. Dann schrieb sie ein Rezept aus und verkündete: „Rockmusik kein Problem. Magen-Darm-Virus. Ansonsten: nicht alles durcheinander trinken, weniger Süßigkeiten, regelmäßigere Mahlzeiten. Sollten Sie als Leistungssportler doch wissen.“ Die Sprechstundenhilfe rief mir wie immer beim Rausgehen noch zu: „Na dann, allzeit maximale Kampfergebnisse!“ ANSGAR WARNER