Kuwaitisches Feldhuhn, sandfarben und zäh

Die jordanischen Züchter von gefederten Frühwarnsystemen hoffen auf einen kriegsbedingten Aufschwung

Die Meldung machte in Jordanien, aber auch in anderen arabischen Ländern schnell die Runde: Verschiedene Tierschützergruppen in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien hatten Präsident George W. Bush dazu aufgefordert, keine Hühner in einem neuen Irakkrieg zum Einsatz zu bringen. Die Federtiere, die derzeit zu tausenden aus den USA an den Golf verlegt werden, sollen als „Frühwarnsysteme“ dienen: Werden C-Waffen abgefeuert, sterben die Kampfhühner zuerst und warnen damit die US- Soldaten. Die Tierschützergruppen beklagten, dass eine ganze Einheit so genannter Kuwait Field Chicken, kurz KFC genannt, bereits gefallen sei, noch bevor sie Helden werden konnten. Todesursache: kein Gas, sondern Stress, hervorgerufen unter anderem durch den Klimawechsel.

Genau das lässt die Hühnerzüchter in der arabischen Welt frohlocken. Sie setzen darauf, dass sich die Tierschützer durchsetzen und George W. Bush zum Rückzug bläst – für die Hühnerkommandos jedenfalls. Nabil K. beispielsweise, ein mittelständischer Geflügelproduzent in Jordaniens Hauptstadt Amman, arbeitet gerade an einem Sonderangebot für die US-Army: „Jordanische Hühner marschieren nach Bagdad“.

Offiziell sind in Jordanien zwar nur wenige US-Soldaten stationiert – als spezielles technisches Personal zuständig für die Wartung von einigen Kampfjets und einer Batterie Patriot-Raketen – aber, so die meisten Jordanier, das heiße rein gar nichts. Kaum jemand in Amman, der einem nicht erklärte, in den vergangenen Monaten seien in Jordanien unzählige US- Soldaten für einen Einmarsch im Irak stationiert worden – inoffiziell. Auffällig obendrein, so berichten verschiedene Zeugen, dass in Amman seit Wochen US-Soldaten in Zivilkleidung unterwegs seien, um alle verfügbaren Geländewagen zu mieten oder zu kaufen. Wie viel sie für die Autos zu zahlen hätten, sei ihnen, das bestätigen gleichermaßen Pkw-Händler und Leihwagenfirmen, völlig egal.

Hühner-Produzent Nabil K. will den US-Strategen die langen Wege zu den Geflügelfabriken ersparen und ihnen über die Botschaft in Amman direkt sein kostengünstiges Angebot schicken: Für ein Huhn von etwa anderthalb Kilogramm müsse man derzeit 1,2 jordanische Dinar berappen, umgerechnet also 1,7 Dollar. Diesen Preis werde er lediglich geringfügig anheben – auf 1,5 JD, 2,15 Dollar. Dafür biete er allerdings Hühner, die in Jordanien geboren und sozialisiert wurden. Die Tiere seien mithin geländegängig, in camouflierenden Sandfarben und vor allem: Hitze gewöhnt. Deshalb schwächelten sie nicht sofort bei einem Wüsteneinsatz oder stürben gar vor ihrer Bestimmung. Bei Bedarf, so K., könne er die Hühner durchaus auch nach Kuwait flattern lassen – im Schutze alliierter Kampfflugzeuge.

Die Konkurrenz schläft unterdessen keinesfalls: Größere Hühnerzüchterbetriebe hoffen ebenso auf US-Käufer wie Kleinbauern. In der Altstadt von Amman wurde sogar der Besitzer einer Hähnchengrillbude dabei beobachtet, wie er versuchte, für zwei US-amerikanische Touristinnen einen Goldbroiler zu reanimieren.

Doch Nabil K. will noch einen zweiten Absatzmarkt erschließen: die Journalisten. Zu hunderten warten sie in Amman darauf, dass sie in den Irak einreisen dürfen; vor oder nach einem möglichen Krieg. Und die meisten von ihnen sind ausgestattet mit schusssicheren Westen und C-Waffen-Schutzanzügen. Dazu will Nabil K. ihnen jetzt das persönliche Kriegsberichterstatterhuhn bieten, je nach Vorliebe im praktischen, kleinen Reisekäfig oder an der Hühnerleine, so oder so aber mit kugelresistentem Gefieder und wasserfester Aufschrift „Presse“. BJÖRN BLASCHKE