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: Die Crux mit dem Hakencrux

„Kreuz und Hakenkreuz“ (So., 9.00 Uhr, Phoenix)

Wie sehr TV-Chefhistoriker Guido Knopp doch unsere Sehgewohnheiten geprägt hat! Was erwarten wir, wenn bei Phoenix eine Dokumentation des ZDF-Redakteurs Werner Kaltefleiter mit dem Untertitel „Der Vatikan öffnet sein Geheimarchiv“ angekündigt wird? Brennende Scheiterhaufen vielleicht, wie neulich bei der – ebenfalls als Blick in Geheimarchive propagierten – ZDF-Serie über die Heilige Inquisition. Lange Kameraschwenks über vatikanische Prachtbauten womöglich. Schnelle Schnitte schließlich, wenn es dramatisch wird und was ganz Dolles enthüllt wird. Und tatsächlich erfüllte auch Phoenix diese Erwartungen.

Dann aber kam es knüppeldick: Etwa eine Stunde der rund 75 Minuten langen Dokumentation interviewte Kaltefleiter den Jesuitenpater Peter Gumpel, der im Vatikan das geplante Selig- und Heiligsprechungsverfahren für den Kriegspapst Pius XII. leitet. Unterbrochen wurde das Interview bloß von einem kleinen Einschub über die deutsche Jüdin Edith Stein.

Sie konvertierte zum Katholizismus, wurde Nonne, nach Auschwitz deportiert und dort 1942 ermordert. Vor fünf Jahren sprach sie der Papst als Märtyrerin heilig. Diese kluge und hellsichtige Frau appellierte schon an Pius-XII.-Vorgänger Pius XI., etwas gegen den Nazis zu tun – wie der Film eindrucksvoll schildert. Doch ist dieses lange unbekannte Schreiben schon ein paar Wochen alt und ausreichend durch die Presse gejagt: Die große Enthüllung, die die Phoenix-Dokumentation ein wenig melodramatisch angekündigte, war dies also nicht. Und wenn, dann hätte man doch gern mehr gewusst.

Kaltefleiter aber arbeitete sich fast ausschießlich an Pius XII. ab, dem Papst, der zum Holocaust zumindest öffentlich jedes klare Wort vermissen ließ und dem Rolf Hochhuth mit dem Drama „Der Stellvertreter“ ein berühmt-berüchtigtes Schandmal setzte – und der von Gumpel dennoch allzu schamlos und undifferenziert verteidigt wurde. Hier aber geriet die Phoenix-Dokumentation endgültig zu einem Insidertipp für Kirchengeschichtsfreaks. Und dazu passte dann ja auch der quasi gottesdienstliche Sendetermin.PHILIPP GESSLER