Stoiber-Gejaule in der Union geht weiter

CSU-Vize kritisiert CSU-Chef für Alleingang in Sozialpolitik. Müller und Wulff auch. Pro Stoiber: Schäuble und Koch

BERLIN taz/dpa/afp ■ Lob für den Kanzler, Kritik am CSU-Chef: Mit dieser Verteilung von Aufmerksamkeit setzte der stellvertretende CSU-Chef und Unions-Sozialexperte Horst Seehofer am Wochenende den Unionszwist fort. Der war Mitte vergangener Woche über Edmund Stoibers „Akutprogramm für den Sanierungsfall Deutschland“ ausgebrochen.

Seehofer sagte dem Focus über die am Freitag im Bundestag gehaltenen Reden: „Ich bin sehr zufrieden mit den Aussagen von Gerhard Schröder zur Sozialpolitik.“ Was Stoiber anging, sagte er jedoch: „Bei den Kollegen in der Fraktion herrscht großer Unmut.“ Denn: „In der Rentenpolitik, beim Arbeitslosengeld oder beim Kündigungsschutz hat Stoiber Positionen vertreten, die nicht abgestimmt waren.“ Genauer wurde Seehofer bedauerlicherweise nicht. So blieb unklar, worauf sich der Unions-Unmut etwa in Sachen Arbeitslosengeld bezog. Denn hier hatte Schröder für die unter 55-Jährigen nichts anderes verkündet, als was Stoiber verlangt: Kürzung der Bezugsdauer auf 12 Monate.

Unwillen wurde weiterhin auch vom saarländischen Landeschef Peter Müller (CDU) sowie vom neuen niedersächsischen Landeschef Christian Wulff (CDU) und dem Vorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse, Hermann-Josef Arentz, vermeldet. Arentz forderte Stoiber auf, seine Position zum Kündigungsschutz zurückzunehmen. „Stoibers Vorschlag, den Kündigungsschutz erst in Betrieben ab 20 Mitarbeitern gelten zu lassen, würde schlagartig 80 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland den Kündigungsschutz nehmen“, sagte er der Welt am Sonntag. Auf einer Klausurtagung hatten sich CDU und CSU kürzlich auf das „Optionsmodell“ geeinigt. Dies sieht vor, dass Arbeitnehmer sich zwischen Kündigungsschutz und Abfindungsregel entscheiden müssen.

In Schutz genommen wurde Stoiber jedoch von CDU-Vordenker Wolfgang Schäuble und Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Schäuble sagte dem Tagesspiegel, zwar habe die Unionsfraktion andere Reformbeschlüsse getroffen als die von Stoiber präsentierten. Das hindere aber „niemanden, auch nicht den Vorsitzenden der besonders erfolgreichen CSU, eigene Vorschläge zu machen“. Koch nannte Stoibers Programm in der Bild am Sonntag den „Beweis, dass es konkrete Alternativen zu den regelmäßigen Ideen des Bundeskanzlers gibt“. Eine Idee wie die Kürzung der Sozialhilfe für Arbeitsfähige auf 75 Prozent könne er nur begrüßen. UWI