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: Patrioten gegen den Krieg

Noch nie in der Geschichte der USA gab es eine so breite und kontinuierliche Antikriegsbewegung, bevor ein Krieg begann. Daran ändern auch die Zahlen des vergangenen Wochenendes nichts, an dem „nur“ etwa 40.000 Demonstranten in der US-Hauptstadt und „nur“ einige zehntausend in anderen Städten auf die Straße gingen.

Kommentar von MICHAEL STRECK

Die Straße ist längst nicht mehr der einzige Ort für eine machtvolle gesellschaftliche Bewegung. Die Formen des Protests sind vielfältiger. Vor wenigen Wochen organisierten Kriegsgegner einen „virtuellen Marsch“ auf Washington. Hunderttausende überschwemmten Kongressabgeordnete mit Protestanrufen und E-Mails. Auch in den Medien laufen Antikriegskampagnen.

Bei den Kriegsgegnern handelt es sich zudem nicht nur um die üblichen Verdächtigen wie Studenten, Künstler oder linke Splittergruppen. Kriegsveteranen, Kirchen, Unternehmen und Hollywoodstars haben Bündnisse wie „United For Peace“ oder „Win Without War“ gegründet. Letzteres hat gerade eine Erklärung veröffentlicht, in der sich 70 Exkongressabgeordnete gegen einen Krieg zum gegenwärtigen Zeitpunkt aussprechen.

Nach dem 11. September hatten viele Kritiker geschwiegen. Aber die Zeiten des blinden Patriotismus sind längst vorbei. Umgedreht wird für viele immer mehr ein Schuh daraus: Patriotismus bedeutet jetzt, die Stimme gegen einen Irakkrieg zu erheben, da dieser den Interessen des eigenen Landes schadet.

Die seit Monaten wachsende Protestbewegung in den USA hat ihre Spuren auch im Weißen Haus hinterlassen. Präsident George W. Bush kann noch so oft das Gegenteil behaupten – sind die Kameras ausgeschaltet, geben Regierungsbeamte dies zu. Mehr noch: Der Graben zwischen US-Bevölkerung und Regierung ist nicht zu übersehen. Die Mehrheit der US-Bürger ist entgegen landläufiger Meinungen in Europa weiter gegen einen Alleingang ihrer Regierung. Sie wünschen sich eine US-Außenpolitik, die mit Verbündeten und internationalen Organisationen aktiv zusammen arbeitet.

Doch auch Kriegsgegner sind nicht immun gegen den Eindruck, dass der Krieg unausweichlich ist. Das hemmt weiteres Engagement und mag erklären, warum diesmal weitaus weniger Menschen demonstrierten als im Februar. Die Nagelprobe steht der US-Friedensbewegung ohnehin erst bevor. Kann sie ihre neue Vitalität aufrechterhalten? Fallen erst die Bomben, schart sich das Volk erfahrungsgemäß um den Präsidenten.