Schuld ist nur die BBC

Britischer Untersuchungsrichter Hutton spricht Premier Tony Blair vom Vorwurf frei, den Irak-Waffenexperten David Kelly in den Tod getrieben zu haben. BBC-Chef Davis tritt zurück

LONDON rtr/afp/taz ■ Es war ein Freispruch erster Klasse für Tony Blair. Das britische Regierungsdossier zur Bedrohung durch den Irak vom September 2002 mit seiner Behauptung, Saddam Hussein könne innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetzen, wurde nach Einschätzung von Lordrichter Hutton nicht wissentlich aufgebauscht („sexed up“), wie dies ein BBC-Bericht der Regierung im Mai 2003 vorgeworfen hatte. Zudem habe es keine Strategie der Regierung gegeben, den Namen des Waffenexperten David Kelly preiszugeben, der der BBC als Quelle gedient hatte und der am 18. Juli 2003 kurz nach seiner Enttarnung Selbstmord beging.

Bei der gestrigen Vorstellung des 328 Seiten starken Untersuchungsberichts zum Selbstmord Kellys richtete Hutton seine schwersten Vorwürfe an die BBC. Sie habe den Bericht ihres Reporters Andrew Gilligan, wonach die Regierung wissentlich eine Falschaussage über die irakischen Massenvernichtungswaffen in ihr Dossier eingefügt habe, nicht gründlich überprüft; Hutton zeigte sich überzeugt, dass Kelly die von Gilligan wiedergegebenen Aussagen nicht getätigt habe.

Hutton sprach die Regierung vom Vorwurf frei, Kellys Identität damals wissentlich den Medien preisgegeben zu haben. Er kritisierte lediglich das Verteidigungsministerium dafür, dass es Kelly nicht sofort informierte, als sein Name gegenüber Journalisten bestätigt worden war.

Hutton sagte, er habe sich in dem Untersuchungsbericht nicht mit der Frage befasst, ob der Irak tatsächlich Massenvernichtungswaffen hatte. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass eine Frage von so grundsätzlicher Bedeutung, die eine breit angelegte Beweiserhebung erfordern würde, nicht Teil meiner Aufgabenstellung ist.“

Im Unterhaus erklärte dann ein triumphierender Blair, er sei „unglaublich dankbar“ für Huttons Bericht, und forderte seine Kritiker auf, sich bei ihm zu entschuldigen. Der Vorstandsvorsitzende der BBC, Gavyn Davis, kündigte wegen der Affäre seinen Rücktritt an. Das sagte ein Korrespondent im BBC-Fernsehen.

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