Das große Und/Oder-Denkmal

In einem Jahr soll das Einheits- und Freiheitsdenkmal fertig sein. Doch der Termin ist nicht zu halten, weil noch völlig unklar ist, welche Funktion und Bedeutung es haben soll

Hans Ottomeyer, Direktor des Deutschen Historischen Museums (DHM), kann es sich „abstrakt“ vorstellen. Der Theologe Richard Schröder dagegen sagt, es müsse „konkret“ sein. Günter Nooke schließlich, CDU-Bundestagsabgeordneter und wie Schröder Kurator bei der „Deutschen Gesellschaft“ zur Unterstützung des Einheits- und Freiheitsdenkmal, ist der Meinung, dass dieses auf jeden Fall „groß“ zu sein habe. Alles klar? Wohl kaum.

Ein Jahr vor der geplanten Einweihung des Einheits- und Freiheitsdenkmals am 9. November 2009 auf dem Berliner Schlossplatz haben die Initiatoren, Historiker und Bundestagsabgeordneten weder eine einmütige Vorstellung von dem Symbol, noch ist bislang klar, welche Bedeutung und Funktion das Denkmal haben soll. Denn auch darüber wird gestritten.

Sicher scheint hingegen, dass der Termin für die Fertigstellung – zum 20. Jahrestag des Mauerfalls – nicht zu halten ist. Die Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete und Kulturpolitikerin Monika Grütters meinte am Sonntag, dass sowohl der Terminplan als auch die Eröffnung für das Einheits- und Freiheitsdenkmal immer unrealistischer würden. Die Debatte über eine „Realisierung zu dem Termin halte ich für unseriös“, sagte sie.

In der Tat ist so gut wie nichts geklärt, was im Jahr 2000 auf den Weg gebracht wurde. Damals hatten 118 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen gefordert, am Schlossplatz ein Einheits- und Freiheitsdenkmal zu Ehren der Menschen und der friedlichen Revolution von 1989 zu errichten. Im November 2007 beschloss der Bundestag, dass das neue Symbol deutscher Erinnerungskultur – für Freiheit und Einheit – über dem Sockel des einstigen Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbildes auf der Schlossfreiheit gebaut werden kann. Vier Millionen Euro investiert der Bund als Bauherr dafür. Die Einweihung soll am 20. Jahrestag des Falls der Mauer stattfinden.

Weil aber nicht entschieden genug festgelegt wurde, welche Bedeutung das Denkmal hat, finden seither „dauernd Umwidmungen“ statt, wie Schröder sagt. So wollen der frühere Bundespräsident Roman Herzog oder auch der Potsdamer Historiker Rainer Eckert, dass der Freiheitsgedanke in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert zur Sprache kommt. Das Denkmal soll Chiffre werden für die Freiheitskriege gegen Napoleon, die Nationalversammlung 1848, den Widerstand gegen die NS-Diktatur und das DDR-Unrechtsregime sowie die friedliche Revolution 1989, listet Herzog auf.

Schröder oder der sächsische CDU-Mann Arnold Vaatz hingegen wollen den „Vereinigungsgedanken“ der Deutschen aus Ost und West als „Mittelpunkt“ des Denkmals sehen. „Es geht um die Würdigung der friedlichen Revolutionäre in der DDR“, fordert Vaatz. Diese „geschichtliche Leistung“ müsse das Denkmal spiegeln.

Nach Ansicht von Grütters ist es nicht problematisch, dass die Diskussionen um das Denkmal nun erst zu beginnen scheinen. Vielmehr eröffneten sich mit dem größeren Zeithorizont auch Möglichkeiten, über das Denkmal und dessen Form „richtig nachdenken zu können“. Alle Beteiligten hätten angesichts der Bedeutung des Projekts „die Verpflichtung“, dies zu tun, sagte sie. Sie rechne damit, dass bis 2009 „nicht viel mehr als der Wettbewerb für das Denkmal entschieden sein wird“. Aber das reiche ja zu einem sogenannten „ersten Spatenstich“. ROLF LAUTENSCHLÄGER