„Wir werden für jede Mehrheit gebraucht“

Kölns Grüne entscheiden heute auf ihrem Parteitag, wer sie nach der Kommunalwahl im September im Stadtrat vertreten soll. Fraktionschefin Barbara Moritz, die ihren Job weiter machen will, im taz-Gespräch über Schwarz-Grün und andere Optionen

INTERVIEW FRANK ÜBERALL

taz: Frau Moritz, nach zehn Jahren möchten Sie eine weitere Legislaturperiode in den Stadtrat. Wo bleibt das grüne Ideal der Rotation?

Barbara Moritz: Darüber haben wir in den letzten Tagen wegen der Ratslisten-Aufstellung viel diskutiert. Ich war früher eine Anhängerin der Rotation. Wir wollten vermeiden, dass Leute in starren Strukturen in einem Funktionärsdasein leben, das von der Basis abgehoben ist. Es wurde versucht, ein offenes System zu schaffen und damit Macht klein zu halten. Zu vermeiden, dass sich Leute, die lange in Positionen sind, verselbstständigen. Seit ich selber Politik mache, sehe ich das etwas anders.

Und wie?

Idealerweise bleibt man zwei Perioden im Rat. Die erste braucht man, um in alle Beziehungen richtig rein zu kommen: die Kontakte zu Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen oder in die Verwaltung herzustellen, die Struktur von Entscheidungen zu erkennen, die Finanzpolitik zu durchschauen. Wenn auf einen Schlag alle Älteren wegbrechen – auf deren Erfahrungen zu verzichten, ist auch problematisch.

Was bedeutet das für die Kandidatenliste? Fast die ganze Fraktion tritt wieder an...

Da muss man thematisch genau hingucken. Haben wir jemanden auf der Liste, der das besetzen könnte, dann sollte es der oder die Neue machen. Rein schematisch würde ich sagen, halb alt, halb neu. Das wäre eine Ideallösung. Dass das Ideal aber meistens nicht klappt, liegt einfach auch am Personaltableau.

Was reizt Sie daran, nach so langer Zeit weiter zu machen?

Schwarz-Grün ist etwas Außergewöhnliches und Grundsätzliches. Wir hatten aber nur ein Jahr Zeit. Das ist so, als hätte man nur einen halben Fuß in die Tür gekriegt. Die Gestaltungsspielräume waren alleine zeitlich so eng, dass ich natürlich Lust hätte, das weiter auszuprobieren.

Auf jeden Fall weiter zusammen mit der CDU?

Ich gehe davon aus, dass wir für jede Mehrheit gebraucht werden. Wir sind als drittstärkste Kraft durchaus selbstbewusst. Ich gehe nicht davon aus, dass irgendeine der großen Fraktionen mit der FDP eine Mehrheit bilden kann oder dass eine große Lust besteht, eine große Koalition zu machen. Die dritte Möglichkeit ist dann eben die mit den Grünen.

Aber Sie haben sich mit der CDU doch auch kräftig gestritten?

Streitpunkte finden sich immer – egal in welcher Koalition – beim Thema Verkehr, weil die großen Fraktionen ein grundsätzlich anderes Herangehen haben als wir. Streitpunkte wird es im Übrigen sicher immer wieder geben, weil das auch von Personen abhängt und von verschiedenen Rollen. Da ist auch ein Oberbürgermeister, der viel stärker und unabhängiger ist als in der alten Gemeindeverfassung.

Ist es denn der grünen Basis zu vermitteln, wenn politische Kröten geschluckt werden müssen?

Es wäre ein naives Politikverständnis zu glauben, wir könnten alle Forderungen durchsetzen. Man muss deutlich erkennen können, dass es ein Unterschied ist, ob die CDU alleine regiert oder mit der SPD oder mit den Grünen. Da muss eine grüne Handschrift erkennbar sein. Das kann aber nicht heißen, dass sozusagen das Wahlprogramm der Grünen eins zu eins umgesetzt wird. Das wäre eine maßlose Forderung.

Aber der Streit um den Niehler Gürtel etwa hätte doch beinahe zu einer innerparteilichen Zerrissenheit der Grünen geführt?

Das zu verhindern, wird immer ein Kampf bleiben. Das ist nie ausgekämpft worden. Das ist auch nicht mit einer Koalitionsvereinbarung über den Aufschub bis zur nächsten Wahl erledigt. Man darf uns aber nicht in der Rolle eines Missionars sehen. Unsere Aufgabe als Koalitionär ist nicht, die CDU zu Grünen zu machen, sondern jeweils unseren Stempel erkennbar drauf zu drücken.

Würde das mit der neuen SPD einfacher gehen?

Das kann ich bisher so nicht erkennen. Beim Haushalt kann ich überhaupt keine SPD-Position erkennen. Kein Vorschlag der SPD war irgendwie geeignet, das strukturelle Defizit abzubauen. Beim Hochhausstreit, oder Wohnen am Strom oder Niehler Gürtel – in all diesen Fällen hatte die SPD dieselbe Position wie die CDU. Bei Flüchtlingsfragen und speziell kriminellen Flüchtlingskindern kann ich auch nicht erkennen, dass die SPD eine Meinung vertritt, die unserer näher wäre.

Ist Schwarz-Grün wegen der „guten“ Kölner Erfahrungen jetzt ein Modell?

Wenn das erfolgreich ist und die Schnittmengen groß genug sind, wird das sicherlich auch auf Landes- und auf Bundesebene irgendwann mal denkbar sein. Wobei ich es auf Bundesebene kurzfristig überhaupt nicht sehe. Auf Landesebene könnte ich es mir schon eher vorstellen. Ich weiß, dass es durchaus Grüne gibt, die in Nordrhein-Westfalen und im Saarland darüber nachdenken. Und ich weiß, dass es auch in der CDU eine ganze Menge Leute gibt, die sich so etwas vorstellen können. Auf jeden Fall ist gut an dieser Option, dass man sich nicht in so einer zwangsläufigen babylonischen Gefangenschaft befindet, also mit der SPD muss oder in die Opposition geht. Schwarz-Grün wäre ein Weg aus dieser Aussichtslosigkeit.