Begegnung zweier Berggipfel

Bach und Händel sind sich nie begegnet. Das wird jetzt szenisch nachgeholt – mit Gesang des Hochschulchores

Als 1985 der 300. Geburtstag von Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach als „Jahr der Musik“ gefeiert wurde, erschienen zwei Briefmarken mit den Köpfen der Komponisten: 60 Pfennig für Händel und 80 Pfennig für Bach hatte die Deutsche Bundespost entschieden. Steckte eine Absicht dahinter? Kann man den weltgewandten Unternehmer Händel, der in London mehrfach mit immenser Kraft freie Theater leitete und mehrfach bankrott machte, überhaupt mit dem gottesgläubigen Bach vergleichen?

Händel, der eine Sopranistin zum Fenster hinaus hängte, weil sie zu eigenmächtig mit des Komponisten Noten umging, mit Bach, der als Thomaskantor in Leipzig die unvorstellbare Leistung vollbrachte, für fünf Jahrgänge Sonntag für Sonntag eine Kantate zu schreiben? Händel, der nach dem Niedergang der geliebten italienischen Oper – 36 hatte er geschrieben – mit der Erfindung des Oratoriums eine Gattung sui generis schuf, mit Bach, der mit der Einschlafmusik für den König mit den Goldberg-Variationen den vielleicht größten Variationen-Zyklus für Klavier ersann? Hätten sie sich etwas zu sagen gehabt? Und wenn ja, was? Ist Bach mehr wert als Händel, wie es die Post suggerierte?

Darüber hat Friederike Woebcken, Professorin für Chorleitung an der Hochschule für Künste gemeinsam mit dem Regisseur Peter Lüchinger und den Schauspielern Renato Grünig und Eric Rossbander von der Bremer Shakespeare Company nachgedacht. Mit dem großen Hochschulchor und dem Barockorchester der Hochschule unter der Leitung von Thomas Albert präsentieren sie an zwei Abenden die fiktive Begegnung der so verschiedenen Musiker. Grundlage der Inszenierung ist das Hörspiel „Dinner for two“ von Paul Barz: Anlässlich einer Auszeichnung der Societät der Wissenschaften 1747 in Leipzig lädt Händel Bach zum Essen ein. Eric Rossbander über seine Rolle als Händel: „Er hatte immer Angst vor Bach und wollte wissen, wie ein so großer Komponist so erfolglos sein kann“, während Bach – den gibt Renato Grünig – sich gefragt habe, „wie ein so mittelmäßiger Komponist so berühmt werden“ könne. Peter Lüchinger zum Konzept: „Wir wollen zwei Menschen mit ihren ganzen Schwächen und Stärken zeigen.“ Und dabei „ein bisschen gegen die Bilder angehen, die wir von ihnen haben.“ Vielleicht müsste die Post bei der Neuauflage ihrer Briefmarken heute anders entscheiden? Wie sich der szenische Ansatz in der Musik niederschlägt, zeigt der Chor in seinem großen Semesterprojekt: „Highlights waren uns wichtig“, sagt Friederike Woebcken, „und beispielhafte Chöre aus Bachs Kantaten und Händels Oratorien“. Ute Schalz-Laurenze

31.1., um 19.30 und 1.2., 17 Uhr in der Kirche Unser Lieben Frauen