Wir kennen nur noch Hauptstadt

Klaus Wowereits einsame Hauptstadtinitiative wird nachträglich im übergangenen Parlament besprochen

Menschen, die öffentlich voreinander knien, sind nie ein schöner Anblick. Die ganz undemokratische Geste des Kotaus übte gestern Walter Momper (SPD). Noch zu Anfang der Woche hatte Momper in seiner Funktion als Präsident des Abgeordnetenhauses mutig den Regierenden Bürgermeister per Brief gerügt: Klaus Wowereit hatte es nicht für nötig befunden, das Parlament vorab von seiner Initiative zu unterrichten, die Hauptstadt Berlin im Grundgesetz festzuschreiben. Gestern redete das Parlament tatsächlich über Wowereits Vorstoß und Momper redete zuerst. Doch aller Mut war von dem früheren Regierenden gewichen: kein Wort mehr von Parlamentsrechten, dafür gestern Bejubelung im realsozialistischen Duktus: „Der Regierende Bürgermeister muss zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Vorschlag vorangehen.“

Die gestrige Debatte hatte etwas Überflüssiges, denn die Würfel sind bereits gefallen. Wowereit war in der vergangenen Woche mit seinem Vorstoß den Grünen Volker Ratzmann und Renate Künast zuvorgekommen, die ihrerseits Vorschläge für eine Neuordnung der föderalen Funktionen der Bundesrepublik gemacht hatten. So weit liegen der Regierende und die Grünen nicht auseinander: Wowereit möchte vor allem zu einer Einigung mit dem Bund kommen, er fürchtet den Bundesrat als Verhinderungsgremium. Die Grünen setzten hingegen auf die Überzeugung auch der Bundesländer. Klingt akademisch, führt aber in der Praxis durchaus zu handfestem Streit: So möchte Ratzmann gemeinsam mit den anderen Bundesländern über eine neue „föderale Sicherheitsstruktur“ reden, statt sich schon vorher auf die Ansiedlung des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes in Berlin festzulegen. Wowereit hingegen donnerte ins Parlament: „Das müssen wir einhellig begrüßen, wenn ein Minister eine solche Strukturentscheidung fällt.“

Überhaupt verführt das Hauptstadtthema die Berliner Landespolitiker immer wieder zu seltsamen Burgfriedens-Appellen. Der „bornierte Parteienstreit“ müsse „zurückgestellt“ werden, meinte Marian Krüger (PDS). Man solle „nicht mehr jedes größeres Bauprojekt sofort als Pleiteprojekt denunzieren“, erklärte Momper, dies sei kleinkrämerisch. Wowereit fasste zusammen: „Es geht um die richtige Einstellung, um eine hauptstädtische Einstellung.“ Der PDS-Fraktionschef Stefan Liebich und der Regierende schalten Nicolas Zimmer (CDU), weil er vom Senat abweichende Hauptstadtvorstellungen hegt. Zimmer möchte nämlich keine Verfassungsänderung („reine Deklaration“), sondern einen „Hauptstadtkommission, die Mittel des Bundes und anderer Länder treuhänderisch verwaltet“. Die Beamten dafür könne Berlin aus dem Überhang beisteuern.

ROBIN ALEXANDER