Brüsseler Spitzen

Im Streit über die ARD/ZDF-Internetpläne versucht die EU, Kompetenzen an sich zu ziehen. SPD-Medienpolitiker Eumann: „Das muss aufhören“

Kern des Streits ist der „Dreistufentest“ für neue digitale Ange-bote von ARD und ZDF

VON STEFFEN GRIMBERG

Es kommt, wie es kommen musste: Weil im Streit über die künftigen Spielregeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Internet die Intendanten von ARD und ZDF sowie die Medienpolitik einerseits und die EU-Kommission andererseits von unterschiedlichen Ebenen ausgingen, bahnt sich neuer Streit an.

Zwar hatten sich die für den Rundfunk zuständigen Bundesländer Ende Oktober auf den Kompromiss namens 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verständigt. Doch nun versucht die EU, die hier vorgesehenen Spielräume in ihrem Sinne enger zu ziehen. Kernpunkt der ganzen Veranstaltung ist der „Dreistufentest“, der für alle neuen digitalen Angebote von ARD und ZDF durchgeführt werden muss. Er prüft, ob das geplante Angebot a) tatsächlich publizistisch Neues bringt, b) mit dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag übereinstimmt und c) ob es den Wettbewerb mit Privatsendern, Onlineportalen von Zeitungen usw. verzerrt.

Den Dreistufentest durchführen sollen, so steht es im Vertragsentwurf, die Gremien der Anstalten selbst unter Mithilfe externer Gutachter. Doch hier meldet Brüssel nun Bedenken an: Bei der EU hatte man immer auf das britische Verfahren geschielt, mit dem die BBC neue Angebote prüfen lassen muss. Bei diesem „Public Value Test“ prüft aber kein BBC-Gremium, sondern die unabhängige Medienbehörde Ofcom, welche Auswirkungen neue BBC-Angebote auf den Markt haben.

Seit einer knappen Woche betont EU-Medienkommissarin Viviane Reding beinahe täglich in Interviews, dass auch in Deutschland diese Aufgabe nur von „einem unabhängigen Schiedsrichter“ vorgenommen werden könnte: „Zur Gewährleistung von Unvoreingenommenheit […] sollte die Prüfung von einer externen Stelle vorgenommen werden, die von der Leitung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt unabhängig ist“, heißt es in der letzte Woche veröffentlichten EU-Rundfunkmitteilung. Werde „ausnahmsweise eine zur öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gehörende Stelle mit der Durchführung der oben dargelegten Prüfung betraut, so hat der betreffende Mitgliedstaat deren Unabhängigkeit von der Leitung der Rundfunkanstalt sicherzustellen“.

Theoretisch ist das kein unlösbares Problem – schließlich sind die Rundfunkräte der ARD und der Fernsehrat des ZDF offiziell nur zur „Beratung“ der Anstaltsleitung da. Allerdings wählen diese Gremien Intendanten sowie Programm- und Verwaltungsdirektoren. Und praktisch ist es schwer vorstellbar, dass ein Rundfunkrat ein geplantes Projekt des eigenen Hauses ernsthaft in Zweifel zieht – auch wenn die EU-Kommission allen Ernstes die „Errichtung von ‚chinesischen Mauern“ vorschreibt: Die sollen „unangemessenen Informationsfluss zur Geschäftsführung der Rundfunkanstalt“ verhindern und die „Vertraulichkeit der von Dritten übermittelten Informationen“ wahren.

„Wer chinesische Mauern im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung demokratischer Medien fordert, muss sich fragen lassen, wo er eigentlich lebt“, kritisiert SPD-Medienkommissionschef Marc-Jan Eumann, der auch im WDR-Rundfunkrat sitzt: Die EU versuche derzeit massiv, Kompetenzen an sich zu ziehen, die ihr gar nicht zustehen, so Eumann: „Das muss aufhören.“