Ankara ist in den USA wieder hoffähig

Bei seinem Staatsbesuch in den USA bekommt der türkische Premier Erdogan von US-Präsident Bush Rückendeckung für seine Wünsche bezüglich des Nordirak. Auch für eine Lösung der Zypernfrage will sich Washington stärker als bisher engagieren

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Die schwere Verstimmung zwischen der US-Regierung und der Türkei ist beendet. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan wurde am Mittwoch im Weißen Haus mit großem Protokoll empfangen und von Präsident Bush förmlich an die Brust gedrückt. Bush überhäufte seinen Gast bei ihrem Auftritt mit Schmeicheleien, der Zwist um den nicht genehmigten US-Truppenaufmarsch vor dem Irakkrieg scheint vergessen.

Stattdessen ist die Türkei nach den Worten Bushs nun wieder einer der wichtigsten strategischen Partner in der Region. Damit das so bleibt, ist die US-Regierung offenbar bereit, den türkischen Wünschen weit entgegen zu kommen. Quasi als Demonstration ihres guten Willens gab die Bush-Administration am Vortag des Treffens bekannt, dass auch die Nachfolgeorganisation der kurdischen Arbeiterpartei PKK, der Kurdische Volkskongress, auf die Liste der terroristischen Organisationen gesetzt wurde.

Damit war man gleich beim Thema. Bush sicherte Erdogan erneut zu, dass die US-Truppen gegen die Lager der PKK im Nordirak vorgehen würden, vor allem aber beruhigte der Präsident den türkischen Premier in Bezug auf die Zukunft des Irak. Bush schloss die Gründung eines kurdischen Staates kategorisch aus und versicherte Erdogan, die Kurden würden nicht mehr Autonomie und kein größeres Gebiet als bislang erhalten. Die Türkei drängt mit den anderen Nachbarn des Irak darauf, dass eine Föderation im Irak nicht entlang ethnischer Linien gebildet werden sollte. Nach türkischer Darstellung hat der Präsident dem zugestimmt.

Auch in der Zypernfrage, dem zweiten großen Thema, kam Bush seinem türkischen Kollegen weit entgegen. Entsprechend Erdogans Wunsch beauftragte er Außenminister Powell, sich mit UN-Generalsekretär Kofi Annan in Verbindung zu setzen, um seine Dienste im Vermittlungsprozess anzubieten. Wie, ist noch unklar, aber offenbar sind die USA bereit, sich für eine Zypernlösung stärker zu engagieren. Erdogan hofft, mit Hilfe der USA in den Zypernverhandlungen ein Gegengewicht zur EU, die in Bezug auf Zypern als progriechisch empfunden wird, etablieren zu können und seine eigenes Militär zu disziplinieren, das einen US-Vorschlag eben auch schlecht ablehnen könne.

Dabei deutet alles darauf hin, dass die Zyperngespräche bereits in wenigen Tagen wieder aufgenommen werden. Gestern traf sich Kofi Annan in Straßburg mit dem griechischen Zypernpräsidenten Papadopulos, der vor dem EU-Parlament am Mittwoch erklärt hatte, er sei bereit die im März 2003 abgebrochenen Gespräche wieder aufzunehmen. Annan wird wohl in wenigen Tagen die Modalitäten für neue Verhandlungen bekannt geben. Nach Vorstellung der UN-Generalsekretärs soll bis Ende März eine Einigung erzielt werden, sodass im April in beiden Teilen Zyperns ein Referendum stattfinden kann. Wenn Bush im Juni zum Nato-Gipfel nach Istanbul kommt, will er auf ein geeintes Zypern anstoßen, kolportierten türkische Medien.

Der US-Besuch war auch über das Gespräch mit Bush hinaus für den türkischen Premier ein Erfolg. Er hatte einen großen Auftritt vor dem außenpolitischen Establishment in New York und wurde von den jüdischen Organisationen begeistert empfangen, denen er versicherte, weiter dafür zu sorgen, dass Juden in der Türkei ohne Angst leben können. Nebenbei holte er sich noch einen Doktorhut in Harvard ab. Vor allem aber versuchte er griechischstämmige Geschäftsleute in New York zu überzeugen, dass es sich für sie wieder lohnt, in der Türkei zu investieren.

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