Erschrecken und Ehrfurcht

Mit einem massiven Bombardement sollen Iraks Führung und Militär eingeschüchtert werden. Parallel zu Luftangriffen beginnt dann der Bodenkrieg

von ERIC CHAUVISTRÉ

Als das Pentagon am Dienstag vergangener Woche seine größte mit konventionellem Sprengstoff gefertigte Bombe präsentierte, stellte es auch gleich ein Video von der massiven Explosion auf einem Gelände der Air Force im Nordwesten Floridas zur Verfügung. Auf der Website des US-Verteidigungsministeriums dürfen sich nun auch irakische Führungskader mit Internetanschluss von der Wirkung der „Massive Ordnance Air-Burst Bomb“ (MOAB) beeindrucken lassen.

Entspricht das, was aus dem Umkreis des Pentagon in die Öffentlichkeit gestreut wird, auch nur zu einem kleinen Teil dem, was die Kriegsplaner tatsächlich vorhaben, dann war der Test der Bombe schon selbst Teil der Kriegsführung. Die von den US-Streitkräften in den letzten Monaten ausgefeilte Strategie – oder das, was davon gewollt oder ungewollt an die Öffentlichkeit gelangt – setzt vor allem darauf, dass sich der Militärapparat Iraks innerhalb weniger Tage vor lauter Respekt vor der Macht der USA praktisch auflöst.

Denn nicht nur die neue Bombe selbst, schon die Berichterstattung über sie soll offensichtlich einschüchtern in einem Feldzug, in dem die US-Streitkräfte mehr als bisher auf die Mittel der psychologischen Kriegsführung setzen: Denn während die meisten neuen Waffentechnologien des US-Militärs darauf ausgerichtet sind, möglichst gezielt und versteckt zu zerstören, soll die MOAB gerade dadurch wirken, dass ihre Explosion und ihre Folgen weithin sichtbar sind. „Es ist das Ziel, unsere Fähigkeiten so klar und so deutlich zu zeigen“, verwies US-Verteidigungsminister Rumsfeld bei der Präsentation der neuen Bombe im Arsenal seiner Truppen auf die neue Linie, „dass das irakische Militär enorm entmutigt wird.“

Mit dieser Strategie des „Shock and Awe“, so hoffen die Pentagon-Planer, wird dem US-Militär der Durchmarsch bis zu den Zentralen der Führungselite gesichert. Die massiven Bombardements, so der Pentagon-Plan, soll „Erschrecken und Ehrfurcht“ verbreiten und hunderttausende irakische Soldaten zur Desertationen bewegen oder sie zumindest führungslos machen. Die reguläre Armee aus Wehrpflichtigen, so streuen Pentagon-Planer, werde als militärischer Gegner gar nicht erst eingeplant. Bestenfalls von der als loyaler eingeschätzten Republikanischen Garde könnte noch Widerstand gegen vorrückende US-Truppen ausgehen.

Um auch diese einzuschüchtern, sollen allein in den ersten zwei Tagen 3.000 Bomben über dem Irak abgeworfen werden. „Wir haben die Möglichkeit, innerhalb der ersten 24 oder 36 Stunden so viel zu erreichen wie im Golfkrieg in sieben Tagen“, sagt ein Luftwaffen-General, der 1991 an der Planung der Luftangriffe beteiligt war. Gegen eine praktisch nicht mehr existente irakische Luftwaffe und -abwehr stehen dafür allein in der unmmittelbaren Umgebung des Irak 500 Kampfflugzeuge bereit.

Neben Angriffen auf Kommunikationsanlagen (siehe auch gegenüberliegende Seite) erwarten Beobachter in Washington deshalb demonstrative Angriffe auf Herrschaftssymbole wie die so genannten Präsidentschaftspaläste. Damit soll, so streuen es britische wie amerikanische Planer seit Wochen, der irakischen Führung jede Kontrolle über ihre Streitkräfte genommen werden. Auch die pessimistischsten Szenarien für das US-Militär – ein für US-Soldaten ungewohnt verlustreicher Straßenkampf in Bagdad oder ein irakischer Einsatz von eventuell noch vorhandenen Chemie- oder Biowaffen – soll die irakische Führung so nicht umsetzen können.

Auch deshalb planen die US-Militärs, anders als im Golfkrieg 1991, nicht erst einige Wochen nur die Air Force einzusetzen und Bodentruppen später ins Land zu schicken. Schon jetzt halten sich US-Spezialtruppen im Irak auf – und dieses parallele Vorgehen in der Luft und auf dem Boden wird wohl fortgesetzt. Auch reguläre Bodentruppen sollen schon mit der Invasion beginnen, während die Cruise Missiles einschlagen, die auf Flugzeugträgern stationierten Kampfjets und die über tausende Kilometer heranfliegenden schweren Bomber noch ihre Last abwerfen.

Schon in den ersten Kriegstagen könnten britische und amerkanische Truppen etwa die Stadt Basra besetzen. Damit werden sie, so die Hoffnung, die dortige schiitische Bevölkerung auf ihre Seite ziehen und die Kontrolle über die umliegenden Ölfelder frühzeitig sichern. Die Führung in Bagdad, so ein möglicher unter Militäranalysten gehandelter Plan, könnte vom Rest des Landes abgeschnitten werden, noch bevor die Hauptstadt selbst angegriffen wird.

Um dieses Zusammenspiel von Bodentruppen und Luftwaffe zu ermöglichen, haben die US-Streitkäfte seit dem Golfkrieg 1991 kräftig in die Beschaffung von Präzisionswaffen investiert. Damals waren weniger als zehn Prozent der Bomben ferngesteuert. Diesmal, so die Planer, sollen bis zu 90 Prozent der Waffen so genannte Smart Bombs sein. „Der Einsatz von Präzisionsmunition“, so warnt Oberbefehlshaber Tommy Franks jedoch vorsorglich, „wird nicht notwendigerweise zu weniger zivilen Opfern führen.“ Das sei jedoch nicht die Schuld des US-Militärs, sondern allein der Führung in Bagdad: Die hätten potenzielle militärische Ziele nicht weit genug von Krankenhäusern, Schulen und Moscheen entfernt platziert.