Wirre Worte aus Berlin

Der Kanzler erteilt dem Krieg eine Absage. In der Frage der Awacs-Einsätze ändert die Opposition stündlich ihre Meinung

von BETTINA GAUS

Alle wissen, dass sich schon bald schreckliche Dinge ereignen werden, aber eigentlich ist noch gar nichts passiert. Deshalb schien vielen Politikern gestern zwar der richtige Zeitpunkt für grundsätzliche Erklärungen gekommen zu sein – viel Neues gab es jedoch noch nicht zu sagen. Das macht die Frage umso interessanter, was gestern alles nicht gesagt worden ist.

Bundeskanzler Gerhard Schröder vermied trotz unmissverständlicher Absage an den Krieg sorgfältig jede Kritik an den USA und an George Bush (siehe Kasten). Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel bemühte sich ebenso angestrengt darum, den US-Präsidenten zu unterstützen, ohne den bevorstehenden Krieg gegen den Irak ausdrücklich gutzuheißen. Und der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos forderte zwar eine Befassung des Bundestages mit dem Einsatz von deutschen Awacs-Maschinen in der Türkei. Zugleich aber ließ er die Fragen offen, ob die Union diesem Einsatz zustimmen wolle und ob seine Partei eine parlamentarische Behandlung des Themas notfalls beim Bundesverfassungsgericht erzwingen werde.

Es war der Tag der Eiertänze im politischen Berlin. Besonders schwierig war die Kür von Angela Merkel. Bis zur letzten Minute hatte die Fraktion an einer Erklärung gefeilt, die am Vortag von Wolfgang Schäuble und Friedbert Pflüger erarbeitet worden war. Innerparteilich trug die minutiöse Arbeit Früchte: Die Aufforderung, auch in den noch verbleibenden Stunden solle jede Chance zu einer friedlichen Konfliktlösung genutzt werden, ermöglichte selbst einem so profilierten Kriegsgegner wie dem CDU-Abgeordneten Willy Wimmer die Zustimmung zur Endfassung.

Was dem Fraktionsfrieden diente, erschwerte der Vorsitzenden die Pressekonferenz. Das Ultimatum an Hussein, er möge das Land verlassen, werde von CDU und CSU unterstützt, sagte Merkel. Und der Krieg? Nun ja. Dreimal gelang es der CDU-Vorsitzenden, einer entsprechenden Frage auszuweichen, bis sie sich zu der Formulierung durchrang, die Unterstützung des Ultimatums impliziere „natürlich alle Folgen, die sich aus diesen Umständen ergeben“. Klarer kann man eine unklare Position nicht formulieren. Michael Glos stand seiner Fraktionschefin in nichts nach. Er nannte es „unmöglich“, Bundeswehrsoldaten durch ihren Einsatz in Awacs-Flugzeugen in der Türkei „in eine rechtliche Grauzone zu bringen“. Deshalb müsse sich der Bundestag mit dem Thema befassen. Am Nachmittag schwenkte dann auch Merkel auf diese Position ein und sprach von der Notwendigkeit eines Bundestagsbeschlusses, um „Grauzonen“ für die deutschen Soldaten im Falle eines Krieges zu vermeiden. Die Union würde den Einsatz dann bei einer Abstimmung mittragen.

Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine Entscheidung des Bundestags. Und die Liberalen? Am Morgen wollten sie noch eine parlamentarische Befassung des Themas notfalls gerichtlich erzwingen. Wie sie dann abstimmen werden, ließ FDP-Chef Westerwelle allerdings offen. Stunden später hörte sich das dann alles wieder ganz anders an und die Liberalen rückten von ihrer klaren Forderung nach einem Bundestagsbeschluss ab.

Einig sind sich FDP und Union darin, dass die Bundesregierung an der ganzen Misere zumindest eine Mitschuld trägt. „Dass Europa nicht mit einer starken Stimme spricht“ sei „auch eine Folge der falsch angelegten deutschen Außenpolitik“, heißt es in der Erklärung der FDP. Parteivorsitzender Westerwelle vertrat gar die Ansicht, die Bundesregierung habe von Anfang an „auf die Spaltung Europas hingearbeitet“. Und Merkel findet, dass die Regierung durch ihre „einseitige und vorzeitige Festlegung einen verhängnisvollen Beitrag“ dazu geleistet habe, dass der Sicherheitsrat nicht zu einer geschlossenen Haltung gefunden habe. Ach, daran hat es gelegen.