Kurden auf der Flucht

Im Nordirak bringen sich Menschen vor eventuellen Angriffen des Regimes in Sicherheit. Waffeninspektoren und ausländische Mitarbeiter von UN-Organisationen verlassen das Land

von BEATE SEEL

Im Nordirak fliehen Kurden, die in der Nähe von Stellungen der irakischen Armee leben, in entlegenere Gebiete. Mit voll gepackten Autos, Taxis, Bussen und auf den Anhängern von Treckern versuchen sie, sich außerhalb der Reichweite der Artillerie Saddam Husseins in Sicherheit zu bringen. Berichten der New York Times und des britischen Rundfunksenders BBC zufolge fliehen die Menschen vor allem aus den Städten Chamchamal, Arbil und mehreren anderen Orten.

In Chamchamal und Umgebung haben sich zahlreiche Kurden und Angehörige anderer Minderheiten niedergelassen, die im Zuge von Saddam Husseins Arabisierungspolitik aus der nahe gelegenen Stadt Kirkuk vertrieben wurden. Nach Angaben der Patriotischen Union Kurdistans, die diese Region kontrolliert, sind allein in den letzten Tagen 675 Kurden aus Kirkuk in Chamchamal angekommen. Nordirak ist zwar weitgehend der Kontrolle Bagdads entzogen, doch die autonomen Gebiete umfassen nicht ganz Irakisch-Kurdistan. Vor allem die ölreichen Städte Kirkuk und Mossul ist ein alter Zankapfel zwischen Bagdad, den Kurden und der Türkei.

Nach einem Artikel des Sunday Telegraph soll es in Kirkuk vergangene Woche zu Demonstrationen vor dem Hauptquartier der herrschenden Baath-Partei gekommen sein, in denen der Sturz Saddam Husseins gefordert wurde. Auch habe es zwei Anschläge auf Eisenbahnlinien gegeben. Menschenrechtsgruppen berichten darüber hinaus von einer Protestkundgebung in der südirakischen Stadt Kerbela. Dort hätten sich einige tausend Menschen versammelt, die zunächst Parolen gegen den Krieg riefen und dann forderten, Saddam und sein Clan sollten sich ins Exil begeben. Dabei seien 300 Menschen verletzt oder getötet worden.

In Erwartung eines US-Angriffes verließ auch ein Großteil der UNO-Inspektoren das Land. „Das ist unglücklich, aber wir müssen gehen“, sagte ihr Sprecher Hiro Ueki gegenüber Reuters am Flughafen. Außer den Inspektoren wollten auch alle ausländischen Mitarbeiter von UN-Hilfsorganisationen gestern das Land verlassen. Iraks Nachbarland Jordanien bereitete sich auf die Ankunft von zahlreichen Flüchtlingen vor. Ausländer und wohlhabende Iraker verließen das Land mit Taxis. Die Preise für eine Fahrt in die fast tausend Kilometer entfernte jordanische Hauptstadt Amman stiegen von 250 Dollar auf 1.200 Dollar.

Der Sprecher der Arabischen Liga, Hischam Jussef, äußerte sein Bedauern über die Entscheidung von UN-Generalsekretär Kofi Annan, die Waffenkontrolleure abzuziehen. Zugleich kritisierte er das Ultimatum an Saddam Hussein als einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Der Iran richete in der Erwartung eines Krieges und der Ankunft von Flüchtlingen aus dem Nachbarland einen Krisenstab ein. In Israel forderte die Armee die Bevölkerung auf, Gasschutzräume in ihren Häusern und Wohnungen einzurichten und sich mit Wasser und Lebensmitteln einzudecken.