Wenn das Universum schwingt

Auch ohne ausdrückliche Brian-Wilson-Zitate ein ganzes Bündel allerfeinst ausgearbeiteter Popsongs im Programm: Die Hamburger Band „Go Plus“ stellt in der Tanzhalle ihr gleichnamiges jüngstes Album vor

von MARC PESCHKE

„Eine Poesie, in der es kein Verstecken gibt“, so hat Pit Przygodda von Go Plus die eigenen Texte vor einigen Jahren im Interview genannt. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Denn wenn der Sänger der Hamburger Band über Liebe und Freundschaft singt, dann weiß man immer noch nicht, ob man darüber schmunzeln soll, lächeln oder doch lieber mit ihm weinen. Mit großer Sorgfalt wird da Inneres nach außen gekehrt – und Äußerlichkeiten verschwinden zusehends.

Dass Go Plus nicht langweilig werden, dafür sorgen ihre luftigen, schlicht-schönen Popsongs, leicht und tief zugleich. Die klingen in etwa so, wie die Pressefotos zum neuen Album aussehen: drei Männer in eleganten weißen Hemden im Pool, eine Unterwasseraufnahme in Sonntagsklamotten – das hat bestimmt Spaß gemacht. Auf dem vorigen Album Largo gab es mit „Song For Brian“ schon 1998 eine Art Manifest des luftig-leichten Popformats, die allerschönste Hommage an Brian Wilson von den Beach Boys und gleichzeitig ein Versprechen von Go Plus: „Und wenn die Akkorde / einander berühren / zu einer Streicheleinheit / Wir wollen dass alles gut wird / und dass uns die Liebe / mit ihren Armen verschlingt / die Angst im Jubel versinkt / und Glück kein Unglück erzwingt / das Universum schwingt!“

Auch auf dem neuen, wieder beim Berliner Label Kitty-Yo erschienenen Album bleibt alles melancholisch, versonnen und entspannt. Das schlicht Go Plus betitelte Werk klingt nicht wie ein richtiger Neustart, wie ihn der Besetzungswechsel mit dem neuen Bassisten Christian Przygodda nahe legen könnte.

Die Themen: die kleinen Fluchten des sensiblen Großstädters, die poetischen Momente im Alltag. Ach ja, ein Baum etwa. Wie der so aussieht. Auch darüber kann man einen perfekten Popsong schreiben. Das hat in Deutschland bisher kaum eine Band zustande gebracht: die Gitarre so perlen zu lassen wie bei The Sea and Cake, so langsam und schön zu klingen wie – zumeist – amerikanische Bands, die wissen, wie man Ruhe durch Musik findet.

Oft ist diese Musik mit Malerei verglichen worden: Go Plus würden Musik malen. Damit war die Direktheit ihres Musizierens gemeint. Doch direkt vom Herz in die Musik ist nicht der einzige Weg von Go Plus. Denn die Arrangements und Kompositionen, das Miteinander der Instrumente ist von ausgefeilter, ziemlich fein gesponnener Sorte: Hier wird bedächtig und stetig am Song gearbeitet. Und immer wieder Pop-Referenzen. Das geht schon beim Namen los: Go Plus heißt ja eine EP von XTC. Prefab Sprout, die Beatles, Leonard Cohen – Go Plus schreiben Pop groß – und gerne auch mit Goldstift.

Getanzt wird sicher nicht in der Tanzhalle St. Pauli, wenn Go Plus spielen. Vielleicht ein bisschen mit den Hüften gewippt. Stattdessen wird es berührend Langsames zu hören geben, ein gutes Dutzend Lovesongs, Leichtes und Tiefes, Weites und Getragenes und vielleicht auch den wunderbaren „Song For Brian“ – oder „Ich geh‘ in die Stadt“ vom neuen Album.

Und irgendwie sind Go Plus ja tatsächlich die Beach Boys aus Hamburg, wunderbare Atmosphärenmeister zwischen Melodie und Melancholie. Für kleine Momente, ganz groß. „Sehnsucht schreibt die Songs“ hieß es in dem Stück „Haut“ von Largo – und Sehnsucht ist immer noch das beste Wort für dieses wunderschöne Go Plus-Gefühl. „File under Alternative / G / Go Plus“ steht auf dem Pressetext zum Album. Doch das klingt nach Marktwirtschaft. Deshalb legen wir das Album ab unter „L“ – Liebeslieder der besonderen Sorte.

Donnerstag, 21 Uhr, Tanzhalle