Blaue Bibel

Maude Barlow und Tony Clarke bereiten auf den Kampf ums Wasser vor und plädieren für ein Menschenrecht auf den raren Rohstoff

von KATHARINA KOUFEN

Gold ist blau. Und die Goldgräber unserer Zeit heißen Vivendi, Suez oder auch Pepsi und Coca-Cola. Die Rede ist vom lukrativen Geschäft mit der Ware Wasser. Nicht von ungefähr gelten Aktien von Wasserkonzernen, wie Suez selbst heute noch, als sichere Geldanlage.

Wie sich Wasser in Gold verwandeln lässt, beschreiben die Kanadier Maude Barlow und Tony Clarke in dem Buch „Blaues Gold“: Man besorge sich von wasserreichen Gemeinden die Erlaubnis, deren Quelle anzuzapfen – das kostet pro Liter den Bruchteil eines Cents. Dann fülle man das geklärte Wasser in Flaschen und verkaufe es als „Tafelwasser“. Pepsi etwa verlangt für einen Liter „Aquafina“ einen Dollar. Gewinnspanne: mehr als 10.000 Prozent.

Oder so: Man erwerbe die Wasserversorgung einer großen Stadt wie Buenos Aires. Anschließend erhöhe man die Preise für Leitungswasser und rufe internationale Geldgeber zu Hilfe, um brüchige Rohre wieder auf Vordermann zu bringen. So ging Aguas Argentinas vor, eine Tochter des französischen Suez-Konzerns. Gewinnspanne: ein Viertel des jährlichen Umsatzes.

Die Autoren sind keine Finanzberater, ihr Buch ist kein Ratgeber für Unternehmer, die endlich Geld verdienen wollen. Maude Barlow ist Mitbegründerin des „Blue Planet Project“ zum Schutz des Wassers, Tony Clarke Direktor des „Polaris Insititute“, das die Welthandelsorganisation kritisch beobachtet. Was die beiden geschrieben haben, ist ein Plädoyer für das „Menschenrecht auf Wasser“. Gut getimt erschien es nun im Jahr des Süßwassers und vor Beginn der UN-Wasserkonferenz in Kioto.

Kaum ein Beitrag hat sich bisher so gründlich mit dem Thema auseinander gesetzt wie „Blaues Gold“. In apokalyptischem Ton schildern die Autoren zunächst „die Krise“. Da ist von den 31 Ländern die Rede, in denen das Wasser knapp ist; von fast drei Milliarden Menschen, die keine sanitäre Versorgung haben. Davon, dass in 20 Jahren die Nachfrage nach Wasser das Angebot „um 56 Prozent“ übersteigen wird. Und vom Gelben Fluss in China, der 1972 zum ersten Mal 15 Tage lang das Meer nicht erreichte und 1997 bereits 226 Tage am Stück ausgetrocknet war.

Teil zwei des Buches befasst sich mit „dem großen Ausverkauf“. Konzerne mit Filialen in mehreren Ländern machen Profit mit dem Verkauf von Trinkwasser. Unterstützung erhalten diese Multis von internationalen Organisation wie WTO und IWF. Der Währungsfonds vergibt Kredite an bestimmte Entwicklungsländer nur unter der Bedingung, dass die Wasserversorgung privatisiert wird. Kurz: Die WTO definiert Wasser als Ware – und treibt damit den weltweiten Handel an. Das ist aus Sicht der Autoren verwerflich. „Wir müssen respektieren, wie die Natur die Wasservorkommen auf der Erde verteilt hat.“

Auch die Pläne von „Global H2O“ zeugten von einem Mangel an Respekt. Das kanadische Unternehmen will in den nächsten 30 Jahren jeweils 69 Milliarden Liter kanadisches Gletscherwasser nach China transportieren – per Schiff. Diese Art von Handel lassen Barlow und Clarke nur gelten, wenn es „zeitlich befristete Lieferverträge“ und eine öffentliche Kontrolle gäbe. Wichtiger ist ihnen noch: Es muss „jenen geholfen werden, die Durst leiden“. Davon kann keine Rede sein. In China, das unter massiven Wasserproblemen leidet, würden vor allem die so genannten Freihandelszonen versorgt.

Im dritten Teil ihre Buches zeigen Barlow und Clarke Lösungen auf: Alle Länder der Welt sollen einen gemeinsamen Vertrag unterzeichnen. Darin wird Wasser zum öffentlichen Gut erklärt. Es ist „in kollektiver Verantwortung zu wahren“ und darf nicht zu Gewinnzwecken verkauft werden.

Gut, dass die Autoren am Schluss ihres Buches doch noch konstruktiv werden – zu anklagend käme sonst ihre Botschaft bei den Lesern an. Denn vor lauter Anprangern der Verhältnisse haben die beiden Umweltschützer die Argumente der Gegenseite vergessen. Beispielsweise die Tatsache, dass in den meisten Entwicklungsländern die Armen bis heute keinen Tropfen abkriegen, auch wenn die Wasserversorgung in staatlicher Hand geblieben ist. Oder auch die Chance, die der Handel mit Wasser für trockene Regionen wie den Nahen Osten bedeuten könnte.

An einigen Stellen argumentieren die Autoren über ihr Ziel hinaus. Die Befürchtung, dass wegen des Wasserhandels per Schiff auch der Ölhandel und damit Umweltkatastrophen zunehmen, ist schon recht weit hergeholt. Ebenso der Verdacht, Politiker aus den reichen Ländern befürworteten hohe Wasserpreise in Entwicklungsregionen, um dort das Bevölkerungswachstum einzudämmen. Zumal sie offen lassen, ob die Babys verdursten oder die Eltern weniger Nachwuchs planen, weil sie so viel Geld für Wasser ausgeben.

Trotz solcher Fragen sei das Buch all denjenigen empfohlen, die sich umfassend über das Thema informieren und sich mit globalisierungskritischen Argumenten rüsten wollen. Selbst die Zeit bescheinigte dem „Blauen Gold“, es habe das Zeug, zur „neuen Bibel aller Globalisierungskritiker“ zu werden.

Maude Barlow, Tony Clarke: „Blaues Gold. Das globale Geschäft mit dem Wasser“. Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel, Thomas Wollermann und Bernhard Jendricke. Kunstmann Verlag, München 2003, 340 S., 24,90 €