Drei Damen auf dem Grill

Die Dixie Chicks haben George W. Bush kritisiert. Seitdem ist die Country-Girlgroup zu Hause in Ungnade gefallen

So schnell kann es gehen. Gestern bist du noch Vorzeigeschwiegertochter, heute verbrennen sie deine Platten. In diesen Zeiten kann ein einziger Satz erfolgreiche Musikerinnen zu Staatsfeindinnen machen.

Ein solcher Satz fiel vergangene Woche in London, bei einem Auftritt der Country-Girlgroup Dixie Chicks. Deren Sängerin Natalie Maines, geboren in Lubbock, Texas, verkündete, man schäme sich, aus demselben Bundesstaat zu stammen wie Präsident George W. Bush.

Prompt begannen einzelne Radiostationen, vor allem in südlichen Staaten wie Texas, Missouri und Alabama, das ironischerweise „Home“ betitelte, aktuelle Album der Band zu boykottieren. Ein Sender in Kansas City rief seine Hörer dazu auf, Platten der Dixie Chicks in den Müll zu werfen. In Bossier City, Louisiana, ließen Demonstranten einen Stapel CDs der Band von einem Traktor überrollen.

Schnell ließ die Band eine Erklärung veröffentlichen, in der sich Maines für ihre „respektlose“ Formulierung entschuldigte, abgeschwächt ihre Kritik aber noch einmal erneuerte: „Der Präsident ignoriert die Meinung vieler US-Bürger und entfremdet dieses Land vom Rest der Welt. Krieg mag eine Option sein, aber zuvor möchte ich als Mutter alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wissen.“

Längst schon stehen die Dixie Chicks mit ihrer Kritik nicht allein in der Musikszene. Der Zusammenschluss „Musicians United to Win Without War“, darunter prominente Namen wie Peter Gabriel, Dave Matthews, Lou Reed, Suzanne Vega, David Byrne, Missy Elliott und Sheryl Crow, schaltete eine großformatige Anzeige in der New York Times. Die Beastie Boys beschreiben in „A World Gone Mad“, ihrem ersten neuen Song seit vielen Jahren, den Präsidenten als Opfer seiner Midlife-Krise. Die Dixie Chicks aber sind mit bislang 20 Millionen verkauften Alben und zuletzt drei Grammies nicht nur kommerziell sehr erfolgreiche Dissidenten, sondern zudem die ersten aus dem traditionell eher konservativen Country-Lager, die es wagten, sich kritisch zu äußern.

Der Klang von Pedal Steel Guitar und Fiedel ist dort immer noch der vorherrschende Soundtrack, wo god’s own country ganz bei sich ist. Trotz kritischer Köpfe wie Johnny Cash oder Willie Nelson ist die überwiegende Mehrheit des Country-Publikums religiös, wertkonservativ, patriotisch und nicht zuletzt blütenweiß. Dessen Erwartungshaltung befriedigten die Dixie Chicks bislang äußerst geschickt mit adrettem Äußeren, vorbildlicher Lebensführung, demonstrativer Bodenständigkeit und zeitiger Mutterschaft.

Auch musikalisch gaben sich die Dixie Chicks bislang traditionell. Im Gegensatz zu anderen Branchengrößen wie Shania Twain oder Garth Brooks, die längst den Crossover zum Popmarkt suchen, spielt das Trio aus Dallas einen Country, der sich weitestgehend modischen Einflüssen verweigert. So beginnt „Home“ mit fröhlichem Bluegrass-Gitarrenpicking und Geigengefidel. Im Text schließlich wird der Verlust der ländlichen Klischees beklagt. „Wir haben die Platte daheim in Texas aufgenommen“, erzählte Maines unlängst, „dort haben wir mittlerweile alle unsere eigenen Häuser und sind glücklich verheiratet.“ Nun hat sie mit einer einzigen Äußerung das sorgsam konstruierte Image zum Einsturz gebracht. THOMAS WINKLER