urdrüs wahre kolumne
: Biedermann und die Brandstifter

Mit Tränen nicht nur im Knopfloch nehme ich bestürzt zur Kenntnis, dass im kannibalischen Massaker der Möchtegern-Kulturstadt Bremen ausgerechnet das Waldau-Theater als Erstes Konkurs anmelden musste – immerhin ein Haus, dem ich nicht nur etliche nette Stunden mit Pippi Langstrumpf, Lukas dem Lokomotivführer und dem kleinen Häwelmann zu verdanken habe, neben Klassik op Platt, derber Altbauernkomik und diversen Revuen und Musicals von unterschiedlicher Zwielichtigkeit, sondern auch diverse Umtrünke und Abstürze, Teilhabe an allerhand Kabale, Randale und Liebe und was sonst noch so zum Leben gehört. Den dafür verantwortlichen Totschlagsparern gehört selbstverständlich die Arschkarte gezeigt, verbunden mit der Versicherung, dass Wilhelm Kaisen und der olle Rebers sowas nie und nimmer nicht zugelassen hätten.

Und wie um den Wutkessel so richtig ins Kochen zu bringen, erreicht mich just in dieser Situation die Kunde von einer landauf, landab vertriebenen Einladung aus dem dafür verantwortlichen Sodbrand-Milieu dieser Stadt unter dem Titel „Verlassen Sie mit uns für einen Abend die Erde“. Die Space Center Betriebs GmbH & Co. KG jedenfalls freut sich für den 6. Februar, „Sie als Gast für eine außergewöhnliche Reise in eine andere Welt zu begrüßen“, inklusive Jagd nach dem Schlüssel zum Sternentor, wie der verantwortliche Gebrauchslyriker sinnentleert dahinbrabbelt und selbstverständlich mit „schwerelosem Genießen im intergalaktischen Bistro 3000“. Und da man die so umworbene „Alles für lau!“-Mischpoke in ihrer ganzen erhabenen Knickrigkeit kennt, werden dazu von den als „Sales Manager“ fungierenden Billigen Jakobs auch noch ganze Doppelzimmer inklusive Frühstücksbuffet für das neue „futuristische Viersterne-Hotel INN SIDE“ verschleudert.

So kriegt man dann die Betten voll und kann Bilder eines proppevollen Parks „kommunizieren“ – wenn man so eine Sause drei- oder viermal jährlich wiederholt und die Rechnung letztendlich an die Gemeindekasse weiter reicht. Und just so verjuxt man ohne jede Nachhaltigkeit eben mal das Klimpergeld, mit dessen Einsparung dem Ernstl Waldau sein klein Häuschen auf alle Zeiten abgefackelt wird. Biedermann und die Brandstifter – gab’s dort übrigens auch schon mal auf der Bühne, in der niederdeutschen Fassung unseres geliebten Barfuß-Indianers Berni Kelb, wenn ich mich recht entsinne ...

Eine Freundin aus dem Hannöverschen entdeckte dieser Tage auf einem historischen Mäuerchen ein in recht beängstigender Höhe darauf herumkrabbelndes Kind von mutmaßlich drei Jahren. Ihre behutsame Warnung vor dem damit verbundenen Risiko quittierte das Blag mit dem Schnack „Du bissen ganz blödes Ssswein bist du!“ Der darin zum Ausdruck kommende Mangel an Herzensbildung verdrießt mich stärker als jeder hintere Platz an fragwürdigen europäischen Lesetests in den Schulen – auch dann, wenn Lehrerverbandspräsident Josef Kraus dieser Tage angesichts geplanter Teilrücknahme der dusseligen Rechtschreibreform wettert: „Das Prinzip Beliebigkeit breitet sich immer mehr aus. Wir erwarten ein Machtwort von der Politik!“ Die geifernden Verspritzer roter Lehrertinte sollten sich zum Erreichen emotionaler Balance lieber öfter mal einen runterholen oder ein Pfeifchen rauchen, statt sich in Machtworten zu suhlen, erwartet und erhofft

Ulrich
„Hardcore“ Reineking