Mit der Paris-Connection ins Weiße Haus

John Kerry, US-Demokrat, ist Cousin eines französischen Exministers. Ist er ein trojanisches Pferd des „alten Europa“?

John Kerry, momentan aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat der Demokraten in den USA, hat einen französischen Cousin. Nicht irgendeinen Austernfischer in der Bretagne, sondern ausgerechnet den ehemaligen Umweltminister Brice Lalonde, der unter dem Sozialisten François Mitterrand diente und sogar die grüne Partei „Génération Écologie“ gründete. Aufgeweckte europäische Geister machen sich nun Sorgen, diese Familienbande könnten dem Senator aus Massachusetts zum politischen Verhängnis werden und ihn zur leichten Beute der Wahlkampfstrategen im Weißen Haus machen.

Sie sehen George W. Bush, Donald Rumsfeld und Dick Cheney schon die Hände reiben, die auf diese Steilvorlage nur gewartet haben, um dem politischen Gegner einen Strick zu drehen, wenn ihnen kein anderes Thema mehr einfällt. Und schließlich wissen alle zwischen Berlin und Paris, dass Inhalte im US-Wahlkampf kaum noch zählen, dass stattdessen auf Charakter, Persönlichkeit, Aussehen geachtet wird und darauf, ob die Ehefrau zur First Lady taugt. Und was erzählt seine Verwandtschaftsnähe und Schulbildung im alten Europa über den Charakter des Kandidaten? Natürlich, dass er letztlich ein Feigling ist, wenn es um Militäreinsätze geht (gut geeignet, um seine Kriegserfahrung in Vietnam zu konterkarieren), dass er Amerikas Empire an Paris verspielen wird und seinen Urlaub nicht im „Heartland USA“ macht, sondern in der Provence.

Doch im Einwanderungsland Amerika ist es so gut wie undenkbar, dass Abstammungs- oder Verwandtschaftslinien zum Karriereblockierer werden können. Arnold Schwarzenegger wurde republikanischer Gouverneur von Kalifornien. Latinos und Chinesen schaffen das auch. Sogar arabischstämmige Menschen bekleiden Regierungsämter. Dies ist schließlich nicht Frankreich, Deutschland oder Italien.

Wer aus der Herkunft eines Politikers in den USA politisches Kapital zu schlagen versuchen würde, begäbe sich auf gefährliches Glatteis, da er die Grundregeln der „political correctness“ verletzen würde. Bush & Co. werden sich also hüten, im Wahlkampf gegen Kerry französische Cousins zu bemühen.

Grund für die Gedankenspiele in Europa ist eine simple Annahme: Amerikaner wollen in den nächsten Jahren ohnehin nichts mehr mit den Franzosen und anderen „alten Europäern“ zu tun haben, weil in der US-Regierung Fans des „neuen Europa“ sitzen, die das widerborstige Paris verachten und bestrafen wollen, wo sie nur können. Für neokonservative Ideologen mag das zutreffen. Inwieweit diese Haltung im Volk verankert ist, darf jedoch bezweifelt werden. Das Land ist gespalten. Die republikanische Hälfte mag Frankreich misstrauen, dessen Antikriegshaltung verübeln, lieber Wein aus Kalifornien trinken, auf ungenießbarem Käse aus Wisconsin herumkauen – und träumt dennoch heimlich von einem Urlaub an der Seine.

Die demokratische Hälfte hat genug von den Spaltpilzen im Weißen Haus, die ihre Alliierten verprellen, deswegen die Suppe im Irak allein auslöffeln müssen und das Image ihres Landes in Europa und der Welt ruiniert haben. Sie wünschen sich einen Präsidenten, der die Isolation Amerikas überwinden kann. Die Kerry-Connection nach Paris könnte sich da vielleicht als Vorteil erweisen. MICHAEL STRECK