Der Kanzler macht es ratzfatz

Eine Befassung des Bundestages mit der Awacs-Frage stehe nicht zur Debatte, sagt Schröder. Merkel greift die Bundesregierung frontal an

von CHRISTIAN FÜLLER

Um zwölf Uhr mittags herrscht im Bundestag Stille. Das ist bei Generaldebatten nicht eben verbreitet. Wenn es um den Etat des Bundeskanzlers geht, gibt es keine Ruhe, sondern Streit. Heute ist das anders. Abgeordnete wie Zuschauer oben auf der Tribüne sehen zu, wie Angela Merkel zum Rednerpult geht – und hören nur das Klicken der Presse-Fotoapparate. Wird die Oppositionsführerin ein offenes Wort zum Krieg finden? Heute, an einem Tag, da das US-amerikanische Ultimatum an den Irak fast abgelaufen ist, lautet die Frage an Frau Merkel: Sind Sie für oder gegen den Krieg?

Der Kanzler hatte es sich leicht gemacht. Auch auf seine Rede waren alle gespannt gewesen, weil sie eine klare Antwort auf die Frage erwarteten, wie die Bundesregierung mit den Awacs-Einsätzen deutscher Soldaten in der Türkei und dem Einsatz deutscher ABC-Spürpanzern in Kuwait verfährt. Der Kanzler macht es ratzfatz. Nach wenigen Sätzen lehnt er es ab, dass sich das Parlament mit dem Thema befasst. „Denn es gibt eine klare Trennlinie zwischen den Awacs-Flugzeugen über der Türkei und den rund 100 Maschinen des Generals Tommy Franks, der den Angriff auf den Irak befehligt“, dekretiert der Kanzler. Wenn selbst ein ehemaliger Verteidigungsminister wie Volker Rühe (CDU) meint, der Kanzler habe damit – vorläufig! – Recht, kann Schröder so falsch nicht liegen.

Auch in den Reihen der Rot-Grünen herrscht indes Stille bei Merkels Auftritt – eine höchst gespannte Stille. Denn in der SPD-Fraktion wartet man auf die Wende, auf den Angriff der Frau, die jüngst so kläglich scheiterte als Oppositionsführerin im Bundestag.

„Man empfindet auch Ärger“, beendet Angela Merkel ihre einleitende friedensliebende Passage, die der Vorsitzenden der CDU gut ansteht. Und dann reiht sie Argumente gegen die rot-grüne Irakpolitik auf – die in der These münden: „Sie, die Regierung, haben durch Ihr Ungeschick den Krieg im Irak nicht unwahrscheinlicher, sondern wahrscheinlicher gemacht.“

Nun tönt es „Hetze! Hetze!“ von den SPD-Bänken, ein halbes Dutzend Sozialdemokraten stürmt empört aus dem Saal. Aus ihren Reihen bekommt Frau Merkel viel Beifall für den fulminanten Angriff. Auf den Emporen freilich überwiegt das Kopfschütteln. Etwa, wenn sie über den Angriff der USA sagt: „Es geht nicht um einen Präventivkrieg, sondern um die Autorität des Sicherheitsrats.“ In der Tat ist dieser Satz Merkels verwunderlich. Denn die halbe Welt diskutiert den Krieg als Exempel für eine neue Strategie der „Präventivkriege“.

Angela Merkel sagt, es gehe um eine wirksame Drohkulisse gegen Saddam – obwohl eine Viertelmillion Soldaten in der Region bereitstehen, einen realen Angriff auf den Irak zu beginnen. Weiter und weiter spult Angela Merkel Gründe und Argumente herunter – nur um den einen klaren Satz zu vermeiden, den alle hören wollen: Ob sie, die Oppositionsführerin, den Krieg nun billigt oder nicht. Dazu sagt Angela Merkel nur einen verwickelten Satz: „Wir unterstützen das Ultimatum der USA an Saddam Hussein – als letzte Chance für den Frieden.“ Als die CDU-Chefin das sagt, ist es 12 Uhr und 23 Minuten.

Um 12 Uhr 32 Minuten melden die Agenturen: US-geführte Streitkräfte sind am Mittwoch nach Angaben aus kuwaitischen Sicherheitskreisen in die entmilitarisierte Zone an der irakisch-kuwaitischen Grenze vorgerückt. Ein Angriff, so ein US-Kommandeur, sei nun wahrscheinlich.