Nach Labour will Blair die UNO zurückerobern

Im Krieg schart sich Großbritannien hinter seinem Premier. Der bastelt schon an Nachkriegsszenarien für den Irak – mit einer UN-Führungsrolle

BERLIN taz ■ Als Tony Blair das Abstimmungsergebnis erfuhr, grinste er erleichtert. Nur 84 Labour-Gegenstimmen gab es am Dienstagabend für den Beschluss, mit dem Großbritanniens Unterhaus die britische Armee in den Krieg gegen Saddam Hussein schickte. Das waren viel weniger als erwartet; der Antrag segelte mit insgesamt 412 gegen 149 Stimmen problemlos durch das Parlament. In den Tagen vorher war über 150 bis 200 Kriegsgegner in der Labour-Fraktion spekuliert worden.

Bei der letzten Irakabstimmung des britischen Parlaments am 26. Februar hatten noch 122 Labour-Abgeordnete für einen Antrag gestimmt, wonach es keinen Grund für einen Krieg gebe. Ein ähnlich lautender Änderungsantrag zum Kriegsbeschluss erhielt diesmal 139 Stimmen von den Labour-Bänken, wurde aber insgesamt mit 396 gegen 217 Stimmen abgelehnt.

In der Stunde der Wahrheit schart sich Großbritannien um „unsere Jungs“. Neuesten Umfragen zufolge wächst in der britischen Bevölkerung die Zustimmung für den Krieg: 38 Prozent sind dafür, so die linke Tageszeitung Guardian. „Das Land und das Parlament spiegeln einander wider“, hatte Blair in seiner Eingangsrede gesagt. Es war eine der besten Reden seiner Karriere, während die Kriegsgegner eine schwache Figur abgaben. Ihr vom ehemaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Kilfoyle, eingebrachter Änderungsantrag machte deren Zwiespalt deutlich: Das Unterhaus wolle beschließen, hieß es darin, „dass der Krieg gegen den Irak noch nicht begründet ist, insbesondere angesichts des Fehlens einer spezifischen UN-Autorisierung; aber im Falle, dass Feindseligkeiten doch beginnen, versichert es den britischen Streitkräften im Mittleren Osten seiner totalen Unterstützung, drückt seine Bewunderung für ihren Mut, ihre Fähigkeiten und ihr Pflichtbewusstsein aus und hofft, dass die Aufgabe schnell mit minimalen Opfern auf allen Seiten zu Ende geführt werden wird“. Entschlossenheit klingt anders.

Der britische Premier stellte den bevorstehenden Feldzug eindeutig in einen UN-Rahmen: Nicht die Kriegsführer, sondern die Kriegsverhinderer hätten den Rahmen der UN-Resolution 1441 verlassen, behauptete er. Europa hätte den USA im vergangenen Jahr seine Unterstützung anbieten sollen und im Gegenzug verlangen müssen, dass die USA sich strikt an den „UN-Weg“ halten sowie den Nahost-Friedensprozess wiederbeleben. „Das wäre der richtige und verantwortungsvolle Weg für Europa und Amerika gewesen, sich als Partner zu behandeln“, sagte Blair. Dann fuhr er mit einem klaren Arbeitsauftrag an die UNO fort: „Es sollte nach einem Konflikt eine neue UN-Resolution geben, die nicht nur humanitäre Hilfe, sondern auch die Verwaltung und Regierung des Irak regelt. Das muss unter richtiger UN-Autorisierung geschehen.“ Auch sollten, führte Blair in der wöchentlichen Fragestunde vor dem Unterhaus weiter aus, die irakischen Öleinnahmen in einen UN-verwalteten Fonds zum Wiederaufbau des Landes fließen.

Die Aussicht auf eine zentrale UN-Rolle beim Wiederaufbau des Irak waren es wohl auch, die die kriegskritische Entwicklungshilfeministerin Clare Short doch noch zum Amtsverbleib bewogen hat.

Blairs Vorschläge entsprechen den Empfehlungen, die der Entwicklungshilfeausschuss des britischen Parlaments letzte Woche in einem „Vorbereitung auf die humanitären Konsequenzen einer möglichen Militäraktion gegen den Irak“ betitelten Bericht darlegte: Es solle nach einem Krieg UN-Friedenstruppen geben und „eine Führungsrolle der UNO“ statt der von Washington geplanten US-Militärverwaltung. Eine neue UN-Resolution solle auch sicherstellen, dass die existierenden irakischen Strukturen zur Verteilung von Hilfgütern im Rahmen des Öl-für-Lebensmittel-Programms der UNO weitergeführt werden – vermutlich von einer UN-Verwaltung. Von UN-Hilfsgütern leben derzeit 60 Prozent der irakischen Bevölkerung. DOMINIC JOHNSON