Horizontal glänzend

Gern übersehen: Das Relieffries an der Bürgerschaft ist ein Kunstwerk. Jetzt wird es aufpoliert

Es riecht nach Fritten. Und es rußt, wenn der Generator anspringt: Die mobile Hebebühne auf dem Marktplatz arbeitet mit Biodiesel. Oben drei Männer im Overall: Zwei halten die rechteckige Metall-Platte. Der dritte stößt mit dem Akkuschrauber in die Halterung. Ein Mann Bodenpersonal vor den Glastüren der Bürgerschaft. Wie lange sie für eine der Platten bräuchten? „Na, so etwa fünf, vielleicht zehn Minuten.“ Schlimmstenfalls sei mal eine Schraube verschmantet.

Das ist nicht überraschend. Schließlich hängt Bernhard Heiligers 15-teiliges Fries seit 35 Jahren an der Bürgerschaft: Der Außenschmuck war bereits Teil des Entwurfs von Wassili Luckhardt. Dass der Architekt gerade den 1915 in Stettin geborenen Bildhauer damit betraut hatte, lag nahe. Längst schon war der Schüler Arno Brekers zum Repräsentativ-Bildhauer der Republik avanciert.

Nicht zu Unrecht: Niemand hätte je Köpfe von Theodor Heuss, Ludwig Erhard oder Ernst Reutter unproblematischer in eine moderne Skulpturensprache bringen können, als Heiliger. Ein wenig nichtssagend vielleicht, mit beängstigend toten Augen. Aber wiedererkennbar: Das ist doch schon mal was.

Sachte sachte, ’s ist Kunst: Wieder gleitet in luftiger Höhe eine der 15 Platten in die Arbeitshandschuhe. Ein interessantes Schauspiel, wenn auch fast ohne Zuschauer:Transparentfetzen von der Vormittagsdemo, vorbei eilende Einkäufer. Zu kühl zum Stehenbleiben. Früher hätte die Menge den Männern in Overalls applaudiert. Vorausgesetzt, die hätten die Wandtafeln auch zerstört: Von „Kulturschande“ war Ende der 60er die Rede in Bezug auf Skulpturen und Parlamentsgebäude. Selbst bis heute wird der einzige authentische Bau in Bremens Mitte von Werbeprospekten nur abgebildet, wenn unvermeidlich. Ein Eckchen blitzt halt durch. Gering aber ist die Bereitschaft zu sehen: Etwa, dass die Fassade Strukturen der Neo-Altbauten aufgreift. Und, dass Heiligers Fries deren Zierrat modern, aber nicht einmal kühn beantwortet. In drei Monaten zeigt sich, ob die Renovierung Augen öffnen kann.

Wie schwer? „Was?“ Der Generatorbeauftragte wendet den Blick vom interessanten Schauspiel ab. „Ach, so, na, jede Platte so um die 80 Kilo.“ Er blickt wieder zu den Kollegen auf der Arbeitsplattform, schüttelt den Kopf. „Mehr nicht.“

Das liegt am Werkstoff. Die 1,60 mal 2,60 Meter großen Platten sind nicht aus Bronze, sondern aus Aluminium.Von der ursprünglichen künstlerischen Absicht, damit gegen die vertikalen Edelstahl-Verstrebungen des Baus anzuglänzen, hat die verschmutzte Luft wenig übrig gelassen. Auch, weil Meister Heiliger den Umgang mit dem ungewöhnlichen Metall selbst noch lernen musste. Anfangs, so Landeskonservator Georg Skalecki, seien die Arbeiten nicht einmal versiegelt gewesen. Das sei dann provisorisch nachgeholt worden. Gestoppt hat der Lack die Oxidation nicht: Anthrazitfarben wellen sich die Oberflächen heute. Wie das zu restaurieren ist, weiß bislang niemand so recht: „Bei Aluminium fehlt uns die Erfahrung.“

Wieder eine Rußwolke – die Hebebühne fährt ein paar Meter weiter nach rechts. Ein älterer Herr interessiert sich auffällig für die Demontage, begleitet den Kleinkran. Der Rücken leicht gekrümmt, langes dünnes Haar, weiß. Kritisch beäugt er die Reliefs. Selbst die Blattgold-Einlassungen wirken stumpf. „Die müssen jedenfalls völlig neu gemacht werden.“ Hermann Noack ist Bildgießer. Der 71-Jährige hatte 1966 das komplette Fries gefertigt. Die Kosten der Wiederherstellung werden auf rund 90.000 Euro beziffert, die zu gleichen Teilen die Stiftung wohnliche Stadt und die Bürgerschaft tragen. Auch diesen Auftrag übernimmt die renommierte Berliner Werkstatt – „so weit“, Noack schmunzelt, „wie wir dürfen“.

Tatsächlich: Hier schlummert Konfliktpotenzial. Einigen müssen sich nämlich die Rechteinhaber – die Witwe des Künstlers präsidiert der Bernhard Heiliger-Stiftung mit Sitz in Berlin –, und die Denkmalpflege: Die Lösung könne nur, stellt Skalecki klar, „ein vernünftiger Mittelweg sein.“ Aus seiner Sicht gelte es, „den Dreck zu entfernen und die Patina zu bewahren“.

Benno Schirrmeister