themenläden und andere clubs
: Nach der langen Winterdepression fehlt es zum Ausgehen an Euphorie – und an begeisternden Locations

Wohin, wohin, wohin mit uns?

Ist das ein Frühlingsanfang? Es sind depressive Tage im März. Trübe und kalt, auch die Natur lässt sich hängen. Oder kann ein keimender Haselnussstrauch in einem Betonkübel vor der Sparkasse zum Hoffnungsträger werden? Da halten sich die Frühlingsgefühle im Gegensatz zu den Vergeblichkeitsgefühlen sehr in Grenzen. Das Leben ist ein Winterschlaf und die kargen Vergnügungen der letzten Wochen sind kaum der Rede wert.

Lediglich Club Neustadt bot noch ein wenig Wärme, fühlte man sich doch in der verfremdeten Volksbühne wie in einer Höhle. Die überschaubare Anonymität der Bühnenstadt, der Blick auf die imposant gestapelten Baustellencontainer, die Aura des frisch gesägten Sperrholzes schufen eine eigentümlich heimelige Atmosphäre, ließ einen die Existenz im Baumarkt-Science-Fiction tröstlicher fühlen. Auch schön, dass das Clubleben hier zum Wesentlichen komprimiert wurde.

Um 23 Uhr begannen die Konzerte, um 2 Uhr war Schicht. Da musste die Zeit genutzt werden: Ankommen, kurz auf die Sperrholzränge, ein wenig Turner oder Köhncke hören, zum Rauchen raus durch die Holzgänge, einmal den Flure entlangflanieren, dann wieder zurück ins Holz. Das professionelle, aber an Gewinnerzielung durch Alkoholverkauf über den Feierabend hinaus null interessierte Tresenpersonal gab bereits während der letzten Konzertklänge resolut das letzte Getränk aus. Dann stand man da, irgendwie gesellschaftlich angetan, fast aufgetaut durch den bisherigen Abend – ein kleiner Unternehmungsgeist, ein leises Gruppenausgehgefühl kam auf und mit ihm die alte Frage: Wohin? Wohin, wohin, wohin mit uns?

Das Golden Gate, das seit Neuestem übrigens Autobahn heißt, ist zu weit, der Blumenladen hat vielleicht nicht auf, keiner weiß genau, wo das neue Bad Kleinen ist, der Rote Salon ist wie so oft keine Lösung. Entschlossene junge Männer fordern inzwischen zum endgültigen Verlassen des Gebäudes auf. White Trash? Ausland? Oder doch nach Hause? Zum Glück hat in solchen Situationen immer ein Mensch eine Geheiminformation: „Torstraße – bei der Ackerstraße – neuer Laden – Eric D. Clark – kennst du nicht?! – … Whirlpool!! – legt auf – irgendwo im Seitenflügel – brasilianisches Restaurant.“

Ein altes Gesetz will auch, das derjenige, der den Ort angeblich kennt, immer erst später nachkommt. So taumelt man frühlingsfröstelnd durch Hofeinfahrten, findet das brasilianischen Restaurant, aber keine Disco, überprüft Eingänge, Kellertüren, lauscht vergeblich auf Hinterhöfen in die stille Nacht hinein, will schon aufgeben …

Schließlich steht der kleine Suchtrupp in einem langgestreckten, menschenleeren Lokal mit Tanzfläche. Dort ist nur ein Mensch, außer der Barfrau. Der berühmte Szene-DJ sitzt höchstpersönlich am Tresen und isst Suppe, beendet wegen des plötzlichen Gästeeinbruchs seine Mahlzeit aber zügig und geht zurück ans Pult. Was für ein frühlingspoetischer Moment! Samstag nachts allein im Club mit dem einsamsten DJ von Berlin. CHRISTIANE RÖSINGER