Beamte sind keine Roboter

Die Polizei steht am Tag X vor einer doppelten Herausforderung. Botschaften müssen stärker geschützt und das Demogeschehen begleitet werden. Die Einsatzplanung liegt seit langem bereit

von PLUTONIA PLARRE

Die Polizei kam kaum zum Luftholen, so überschlugen sich gestern die Ereignisse. Wenige Stunden, nachdem der Krieg gegen den Irak begonnen hatte, kam es um sieben Uhr morgens in der Nähe der amerikanischen Botschaft zum ersten Einsatz wegen eines Bombenalarms. Die von einem Radfahrer an der Kreuzung Unter den Linden abgestellte Fahrradtasche war jedoch nicht mit Sprengstoff, sondern mit Zement gefüllt.

Am Mittag tobten dann über 50.000 friedensbewegte Schüler durch die Innenstadt. Für den Nachmittag hatten die Kurden einen Aufzug anlässlich des Newroz-Festes angemeldet. Und am Abend erwartete die Beamten eine Großdemonstration mit über 100.000 Teilnehmern. „Wenn das so weitergeht, kann die nächste Zeit ganz schön anstrengend werden“, gab der Vizechef der Schutzpolizei, Alfred Markowski, zu.

Dennoch behielt die Polizei die Lage bis Redaktionsschluss am Nachmittag im Griff. Kaum, dass die ersten Bomben auf Bagdad fielen, wurde der Schutz der Botschaften der am Krieg beteiligten Staaten erhöht. Neben der Botschaft der USA und Großbritanniens wird nun auch die spanische Vertretung verstärkt bewacht. Im Gegensatz zum 11. September 2001, als die Sicherheitsbehörden von den Anschlägen in den USA überrascht worden waren, habe man ausreichend Zeit gehabt, sich auf den Kriegsbeginn vorzubereiten, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern zur taz. Es gebe keinen Grund zur Panik, denn es lägen keinerlei Hinweise auf geplante Anschläge in Berlin vor, betonte Körting.

Auf die Frage, von welcher Dauer die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen sein werden, sagte der Senator: „Wir stellen uns auf ein paar Wochen ein.“ Die Größe der Demonstrationen und der Grad der Emotionalisierung der Teilnehmer hingen vom Verlauf des Krieges ab. Wenn sich die Amerikaner auf die Zerschlagung des Regimes konzentrierten, wäre der Verlauf ganz anderes, als wenn die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen würde, so Körting. Über Husseins Entmachtung werde sich wohl kaum jemand „außer der NPD“ empören.

Bis kommenden Montag ist täglich wechselnd ein Gesamteinsatzleiter für sämtliche Veranstaltungen in der Stadt zuständig sein. Der Statsschutz hat eigenen Angaben zufolge in den vergangenen Tagen gezielt Personen angesprochen „um sie von Straftaten abzuhalten und ihnen klar zu machen, dass sie im Visier der Ermittler stehen“.

An die Bevölkerung erging der Appell, die Polizei „lieber einmal zu viel als zu wenig“ über eine merkwürdige Beobachtung zu informieren. Was das Verhalten der Beamten bei den Demonstrationen angeht, kündigte Schutzpolizeivize Markowski an, größtmögliche Zurückhaltung zu üben, sofern die Proteste friedlich blieben. Die Schülerdemonstrationen hätten bislang keinen Grund zur Klage gegeben. Dass man bei den Schülern nicht von Zoff ausging, dokumentierten die eingesetzen Beamten gestern auch rein äußerlich: Die weißen Helme blieben im Mannschaftswagen liegen.

Nur am Brandenburger Tor, wo die Demonstration gestern gegen 14 Uhr endete, rechnete man offenbar mit Bösem. An jeder der ingesamt sechs Säulen war ein Polizist postiert, einzig um darüber zu wachen, dass die Jugendlichen keine Graffiti an dem Tor hinterließen. Der mögliche Hintergrund: Nach der letzten großen Friedensdemonstration am 15. Februar hatte sich der Tagesspiegel tagelang über die Peace-Zeichen an den frisch gereinigten Säulen beschwert. Auf die Frage, ob die Polizei keine anderen Probleme habe, rollte einer der Graffitiwächter entnervt die Augen: „Das müssen Sie die da oben fragen.“