lob des doktor hacks von WIGLAF DROSTE
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Groß ist der Hass der bundesdeutschen Kulturindustrie auf den Dichter Peter Hacks. Alles hat er anders gemacht als die hiesigen Schriftsteller, und alles besser – das verzeihen sie nicht. 1955 übersiedelt Hacks, 27-jährig, von München in die DDR und wird Theaterdichter am Deutschen Theater in Berlin. Als sein Land auf den Bitterfelder Holzweg geht und die Schriftsteller auffordert, so genannte Arbeiterliteratur zu verfassen, woraufhin Heiner Müller „Traktor“ zusammenschmiert, dichtet Hacks ganze acht Zeilen: „Der Dichter hat sich früh erhoben. / Er will in einer kleinen Schrift / Das Glück des Sozialismus loben, / Das viele, doch kaum ihn, betrifft. / Da sieht er unterm Morgengrauen / Im Herbstfeld die Kartoffelfrauen. / Sie rutschen fröstelnd auf dem Bauch. / Er blickt sie an und seufzt: ihr auch?“

Auf einem Schriftstellerkongress 1961 in Hamburg erklärt Hacks: „Wir haben halt einen Sozialismus. Sie haben einen Kapitalismus. Beide haben ihre Nachteile. Ich würde sagen, unser Sozialismus ist zu vergleichen einem sauren Apfel und Ihrer einem etwas verfaulten.“ In seinem Urteil über die Bundesrepublik hat sich Hacks nicht getäuscht. Der Prozess der Verfaulens ist seitdem gut vierzig Jahre fortgeschritten.

Nach der Einweisung Wolf Biermanns in die Bundesrepublik publiziert Hacks in der DDR-Weltbühne eine Analyse der Künste Biermanns: „Als ein fehlerhafter Ehrgeiz ihn trieb, sich an Heines Philosophie und Villons Weltgefühl zu messen, als er sich von den Alltagssachen weg und den Weltsachen zuwandte, verstieß er gegen die seiner Begabung angemessene Gattung und sank vom Volksliedsänger zum Kabarettisten.“ Im Westen brauchten sie ein paar Jahrzehnte länger, um das Offensichtliche zu erkennen, und beim Spiegel haben sie es bis heute nicht kapiert.

In den „Maßgaben der Kunst“ schreibt Hacks: „Ich möchte nicht als Antidemokrat erscheinen, als der ich zu Recht verrufen bin.“ Genauso federleicht bedichtet er den dissidierenden 1989er-Klüngel: „Böhme, Thierse, Schnur und Stolpe, / Gysi, Modrow, Wolf und dann / Poppe, Barbe, Klier und Bohley, / Schröder, Ull- und Eppelmann, / Die Gebrüder Brie und, ärger, / Eheleute Wollenberger, / Alle lassen ihren Kopf / Fallen in den Auffangtopf.“

Unabhängig wie er ist, veröffentlichte Hacks nicht in konkret, ohne dem Herausgeber das Couplet „Gremlizas Dementi“ zu schreiben: „Er zahlt verläßlich, druckt er. Keiner zuckt? / Er lügt, der Schelm. Wie lügt er? Wie gedruckt.“ Dass Hacks in der Mutti aller Sektenblätter allerdings eine „Bewegung 2. September“ erfand, ohne ihr analog einen „Schwarzen Juni“ zur Seite zu stellen, zählt zu den Irrtümern des heute 75 gewordenen Dichters. Mein Lieblingskinderbuch hat er geschrieben, „Der Bär auf dem Försterball“, und die Liebe lässt sich von niemandem so gern bedichten wie von Peter Hacks: „Du sollst mir nichts verweigern. / Ich will den letzten Rest. / Geht eine Lust zu steigern, / Ein Schurke, wer es lässt. / Gehabtes Glück hilft sterben. / Der Tod, er soll nichts erben / Als blankgeleckte Scherben / Und Schläuche ausgepresst.“