„Wir müssen Gesicht zeigen“

Klaus Köste, Mitinitiator von „Sportler für den Frieden“, hat über 1.600 Unterschriften gesammelt. Dass das IOC nicht eindeutig Position gegen den Krieg bezieht, kann er nicht verstehen

Interview FRANK KETTERER

Herr Köste, Sie haben in den zurückliegenden Wochen über 1.600 Unterschriften von ehemaligen und aktiven Sportlern gegen den Krieg gesammelt. Wie mühsam war das?

Klaus Köste: Das war nicht mühsam, sondern eine von Anfang an optimistisch stimmende Aktion, bei der von der ersten Minute an eine positive Resonanz zu spüren war. Egal ob bei aktuellen oder ehemaligen Sportlern, ob bei Sportwissenschaftlern, Sportjournalisten oder Trainern. In unserer Liste spiegelt sich die ganze Palette des Sports wieder. Deswegen hat die Aktion von Anfang an Spaß gemacht.

Nun, da die ersten Bomben auf Bagdad gefallen sind, war die ganze Arbeit wohl umsonst.

Nein. Sie war nicht umsonst. Gerade wenn die Bomben fallen, ist es wichtig, dass man sich gegen den Krieg auflehnt. Was wäre denn das für eine Zukunft, wenn man sich einem so kriegerischen Inferno widerstandslos ergeben würde.

Wann wurde die Idee geboren, die bereits vor 20 Jahren gegründete Initiative „Sportlerinnen und Sportler für den Frieden“ aktuell wieder aufleben zu lassen?

Das war ein normales Treffen bei der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung. Da ist Gunhild Hoffmeister (Silbermedaillengewinnerin im 1.500-m-Lauf bei den Olympischen Spielen 1972/Anm. der Red.) auf Täve Schur und mich zugekommen, und gemeinsam waren wir der Meinung, dass wir Sportler aufgrund der bedrohlichen Weltlage endlich Gesicht zeigen müssen. Wir haben dann viele Sportler angeschrieben, angefaxt, telefoniert – und am 20. Januar unseren Friedensappell offiziell gestartet. Innerhalb von drei, vier Tagen hatten wir schon mehr als 20 Olympiasieger beisammen, was doch eine tolle Initialzündung für unsere Aktion war. Jeder wartete darauf, dass so ein Aufruf gestartet wird, aber es musste halt jemand tun.

Und weil mit Täve Schur und Ihnen zwei PDS-Mitglieder Initiatoren waren, wurden Ihnen prompt Parteipropaganda und Antiamerikanismus unterstellt. Vor allem NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach hat gegen Ihre Aktion gewettert.

Er hat das ja später relativiert. Zumal seine Vorwürfe, so wie sie veröffentlicht wurden, nicht haltbar waren. Deswegen haben wir ja von Anfang an auch sehr viele Sportler aus den alten Ländern angeschrieben: um den gemeinsamen Nenner der Aktion herauszustreichen. Es geht schließlich um Frieden und nicht um irgendeine parteipolitische Streiterei. Da spielt es keine Rolle, ob einer aus dem Osten oder dem Westen kommt, ob er alt ist oder noch jung.

Dennoch ist auffällig, dass es sich bei einem Großteil der Unterzeichnenden um ehemalige Aktive handelt.

Das ist doch klar. Täve Schur war über ein Jahrzehnt in der Weltspitze, ich war über ein Jahrzehnt in der Weltspitze – da haben wir natürlich auch Kontakte zu sehr, sehr vielen Sportlern aus dieser Zeit, die heute Ehemalige sind. Außerdem ist es nicht ganz einfach, an Aktive heranzukommen, die sich derzeit im Wettkampfgeschehen befinden, zum Beispiel zu den Biathleten oder den Skispringern.

Man darf daraus also nicht schließen, dass die aktiven Sportler heute weniger politisch sind als die früher?

Aber nein. Um Gottes willen. Auch bei unseren jungen Sportlern ist der Friedensgedanke ausgeprägt und gut aufgehoben.

Dennoch haben bis auf Jan Ullrich, Alexander Leipold, Sven Fischer, Jochen Schümann und Astrid Kumbernuss kaum aktive Sportgrößen unterschrieben.

Nun, das sind doch schon nicht wenige. Außerdem haben die deutschen Handball-Meisterinnen vom HC Leipzig sowie die Fußballmannschaften vom FC Sachsen und dem VfB Leipzig komplett unterzeichnet. Prinzipiell aber haben Sie Recht. Das hat unter anderem damit zu tun, dass es einfach schwer ist, an die aktuellen Stars und Größen heranzukommen, gerade wenn sie im Wettkampf stecken oder in Meisterschaften, so wie derzeit Skispringer und Biathleten.

Auffällig ist auch, dass die Liste deutlich ostdeutsch geprägt ist.

Auch das rührt daher, dass Täve Schur und ich einfach mehr Kontakte im Osten haben als im Westen, gerade zu Medaillengewinnern. Aber das ist ganz natürlich und historisch bedingt. Die Turner zum Beispiel stehen fast komplett auf der Liste, weil ich im Turnen eben alle und jeden kenne. Und dass Jan Ullrich unterschrieben hat, ist auch kein Zufall, das hat mit den Kontakten von Täve zu tun.

Andererseits war die Initiative doch spätestens nach der Äußerung von Dr. Steinbach auch im Westen durchaus bekannt. Warum haben dennoch so wenige Westsportler unterschrieben?

Stimmt. Die Sache mit Steinbach war wie eine zweite Initialzündung, weil viele gesagt haben: Es kann doch nicht wahr sein, dass man sich einem solchen Friedensappell verschließt. Das hat vielen die Augen geöffnet.

Den großen Run von Westsportlern hat es dennoch nicht ausgelöst.

Immerhin können wir Namen nennen wie Rudi Altig, Hennes Junkermann, Karl Link (Radfahrer), Helmut Bantz (Turn-Olympiasieger 1956) oder Friedel Schirmer (Ehrenpräsidentin der Gesellschaft Deutscher Olympiateilnehmer). Im Einzelnen müsste ich das allerdings erst mal nachsehen. Was ich aber auf jeden Fall sagen kann, ist, dass wir auch viel Unterstützung von Vereinen erfahren haben. Und da sind viele auch aus Gelsenkirchen oder Bochum dabei.

Um die Kontakte im Westen auf eine breitere Basis zu stellen, hätten Sie ja auch Kontakt mit Horst Meyer aufnehmen können, der damals, als sich vor 20 Jahren die Initiative „Sportlerinnen und Sportler für den Frieden“ gegründet hat, maßgeblich beteiligt war.

Ja, daran haben wir zu Anfang auch gedacht.

Aber?

Horst Meyer ist mittlerweile ja Chef der Hamburger Olympiabewerbung. Da tut er wohl gut daran, sich in Zeiten einer Evaluierung zurückzuhalten, so wie übrigens alle Bewerberstädte es getan haben. Da wollte keiner einen Fauxpas begehen.

Obwohl es doch eigentlich eine prima Werbung gewesen wäre: dass eine künftige Olympiastadt sich ganz offiziell zum Frieden bekennt.

Das sehe ich genauso. Olympia ohne Friede ist schließlich nicht denkbar.

Und doch hat selbst das IOC bisher zum Thema Krieg geschwiegen.

Stimmt. Für mich ist das völlig unverständlich. Auch die Reaktion von IOC-Präsident Jaques Rogge ist das, wenn er beispielsweise sagt, die Spiele 2004 in Athen seien durch den Krieg im Irak nicht gefährdet. Man kann doch nicht Spiele machen, wenn im Irak Krieg herrscht. Wenn man das tut, dann ist Olympia gestorben. Und dazu dürfen wir es nicht kommen lassen.

Wie kann man es verhindern? Etwa in dem man aus dem Aufruf zum Frieden einen Aufruf zum Boykott werden lässt?

Über solche Dinge zu spekulieren, ist es in diesen Tagen nicht an der Zeit.

Herr Köste, was wird aus der Initiative, wenn Bagdad zerbombt ist und der Krieg ein Ende gefunden hat?

Dann werden wir uns überlegen müssen, wie man den Menschen, die das Inferno überlebt haben, Hilfe zuteil werden lassen kann.

Das heißt, die Friedensinitiative der Sportler könnte dann zu einer Hilfsinitiative werden?

Genau. So könnte es sein.