Noch keine Entwarnung

Weltweit fahnden Forscher nach dem Erreger der rätselhaften Lungenerkrankung. Erste Spuren lassen vermuten, dass es sich um ein Virus handelt. Doch die WHO warnt, noch fehlen die Beweise

von WOLFGANG LÖHR

Die Nachrichten aus der Isolierstation der Frankfurter Universitätsklinik sind beruhigend. Die drei Patienten, die am Wochenende mit der neuen, rätselhaften Lungenerkrankung eingeliefert wurden, geht es viel besser. Der 32-jährige Arzt aus Singapur, seine schwangere Frau und seine Schwiegermutter seien „wohlauf, sie haben kein Fieber, und die Laborwerte werden sukzessive besser“, gab gestern der Leiter der Isolierstation, Hans-Reinhard Brodt, bekannt. Vermutlich schon nächste Woche könnten die Patienten entlassen werden.

Auch die Hausquarantäne, die von den Behörden für die rund 110 Mitreisenden erlassen wurde, wird voraussichtlich am Wochenende aufgehoben. Den Betroffenen, die derzeit ihre Wohnungen nicht verlassen dürfen, werde dann lediglich auferlegt, eine Woche lang regelmäßig ihre Körpertemperaturen zu überprüfen.

Auch wenn damit hierzulande der aktuelle Seuchenalarm abgeblasen ist, in anderen Ländern, vor allem in den asiatischen Staaten, hat sich die Situation noch nicht beruhigt. Die meisten der über 250 Verdachtsfälle wurden bisher aus Hongkong, Vietnam und Singapur gemeldet. Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind inzwischen weltweit 14 Menschen an dem „Schweren Akuten Atemwegssyndrom“ (SARS) gestorben.

Vermutet wird, dass die Krankheit jetzt auch die USA erreicht hat. Insgesamt 11 Verdachtsfälle registrierte bisher die US-Gesundheitsbehörde. Es handelt sich ausschließlich um Personen, die vor kurzem in Asien waren und bei denen anschließend Fieber und Atemwegserkrankungen auftraten. Auch die Behörden in Japan, Australien, Malaysia, Spanien und Rumänen vermuten die ersten Erkrankungen in ihren Ländern.

Bislang sind dies meist nur Verdachtsfälle. Solange der Erreger nicht eindeutig identifiziert ist, kann die Erkrankung nur anhand der Symptome und einem möglichen Kontakt mit einem bereits Infizierten festgestellt werden.

Erste Spuren, die darauf hinweisen, dass es sich bei dem SARS-Erreger um ein Paramyxovirus handelt, wollen Forscher in Hongkong und Singapur gefunden haben. Sie bestätigten damit einen Verdacht, der zuvor schon von Ärzten des Frankfurter Instituts für Virologie geäußert wurde.

Bei den Paramyxoviren handelt es ich um eine Gruppe von Krankheitserregern, zu der auch die Auslöser von Mumps und Masern gehören. Die WHO äußerte sich jedoch skeptisch über die Erfolgsmeldungen. Um sicher zu sein, seien noch weitere Untersuchungen notwendig, sagte der für ansteckende Krankheiten zuständige Abteilungschef bei der WHO, David Heymann.

Befürchtet wird nun, dass der Erreger der neuen Lungenerkrankung weitaus infektiöser ist, als bisher vermutet wird. Bislang ging die Ärzte davon aus, dass SARS nur übertragen wird, wenn ein längerer Kontakt mit einem Infizierten bestanden hat. Aus Vietnam kam jedoch der alarmierende Bericht, dass dort ein elfjähriger Junge an dem Atemwegssyndrom erkrankt sei, obwohl er keinen Kontakt mit einem Erkrankten hatte.