Bush sagt Schröder nichts vom Kriegsbeginn

Bundesregierung erfährt von Bombardements aus dem Fernsehen. Struck: „Fühlen uns nicht auf den Schlips getreten“

BERLIN taz/afp/dpa ■ Für Joschka Fischer war es eine „bittere Nachricht“, als er auf dem Rückweg vom Sicherheitsrat in New York erfuhr, dass die USA inzwischen den Irak angegriffen hatten. „Krieg ist die schlechteste aller Lösungen“, sagte er im Bundestag. Und er warf der Regierung Bush vor, dass sie von Anfang an den Krieg gewollt hätte und ihre Soldaten keineswegs nur in die Wüste schickte, um dort für eine „Drohkulisse“ zu sorgen.

Das sah die Union unverändert anders. CDU-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble erklärte: Ein „demütiges Scheitern der USA“ wäre für die Welt ein noch größeres Risiko gewesen als ein Krieg ohne UN-Mandat. Die PDS forderte den Kanzler auf, den amerikanischen Präsidenten Bush beim internationalen Gerichtshof anzuzeigen – „wegen der Herbeiführung eines völkerrechtswidrigen Kriegs“.

Die Bundesregierung war über den Kriegsbeginn kaum besser informiert als die normalen Fernsehzuschauer: Die USA hielten es nicht für nötig, den deutschen Nato-Partner zu verständigen. So erfuhr Gerhard Schröder erst von seinem „Lagedienst“ im Bundeskanzleramt, dass die Bombardements begonnen haben.

Ähnlich erging es seinen Ministern, auch sie mussten auf die Erkenntnisse ihrer Mitarbeiter zurückgreifen. Beste Quellen waren anscheinend Nachrichtenagenturen und Fernsehbilder, ergänzt um Informationen aus den Geheimdiensten. So ließ der BND gestern stolz durchblicken, man habe vom Angriff der USA im Voraus gewusst – „und zwar aus eigenem Aufkommen und nicht nur über Partnerdienste“.

Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) nahm es gelassen, dass die US-Regierung nicht zu den deutschen Informationsquellen gehörte: „Wir fühlen uns nicht auf den Schlips getreten.“ Es sei ja absehbar gewesen, dass der Krieg unmittelbar nach dem Ultimatum beginnen werde, da müsse man nicht auf „Formalitäten“ bestehen.

Mittags versammelte sich dann das „Sicherheitskabinett“ im Bundeskanzleramt, dem die wichtigsten Minister angehören. Allerdings scheint die Sicherheitslage stabil zu sein, man tagte nur etwa eine halbe Stunde. Das Innenministerium trug die Erkenntnis bei, dass es bisher noch keine konkreten Hinweise auf terroristische Aktivitäten in Deutschland gebe – dennoch habe sich die Gefahr „schlagartig verstärkt“. Bei den Nachrichtendiensten gilt daher „höchste Alarmstufe“. Kein Grund zur Unruhe herrscht dagegen bei der Ölversorgung. Sie sei ungefährdet, versicherte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement während der Haushaltsberatungen im Bundestag. UH