Ein Traktor im künstlichen Teich des Capitols

Mag ja sein, dass gestern der Irakkrieg begonnen hat. In Washington jedoch haben die Menschen andere Sorgen

Es ist Krieg, und Petrus hat niemandem den Gefallen getan, den sonnigen Segen zu geben. Es ist kalt und neblig in Washington. Soviel zu George W. Bushs direktem Draht zum Allmächtigen.

In der Musikspelunke „Madam’s Organ“ im Vergnügungsviertel Adams Morgan trotzte eine trinkende und schunkelnde Menge der Realität. Es gibt auch nicht den obligatorischen Fernseher, der über dem Tresen hängt, und grün-milchige Bilder aus Bagdad funkt. Während woanders die ersten Raketen einschlagen, spielt hier „Billy Smith“ fröhliche und unbescherte Blue-Gras-Country-Musik. Zwei Althippies tanzen, als wäre es das letzte Mal.

Die Kunde vom Krieg dringt hier nur zögerlich vor. „Oh shit“ ist Antwort Nummer eins. Wer dann doch zu ganzen Sätzen in der Lage ist, sagt: „Ich bin wütend und traurig“, wie jene junge Frau mit kariertem Hemd, Latzhose und langen Zöpfen. Aus George sprudelt es jedoch heraus. Mit „Bush ist ein Arschloch“ beginnt seine Wortsalve. Dieser Krieg sei schamlos, schmutzig und ungerecht, um nur einige Attribute zu nennen. Außerdem ein schlechtes Beispiel, Konflikte zu lösen. „Ich bin Streetworker, versuche den Jugendlichen jeden Tag beizubringen, dass man Streit ohne Gewalt lösen muss. Schönes Vorbild, der Bush.“

George stand am Morgen noch vor dem Weißen Haus und protestierte mit rund 300 Leuten gegen seinen Namesvetter und den nahen Kriegsbeginn. Kaum jemand in der Stadt nahm jedoch Notiz von der Demonstration. Überhaupt ging der ganze Krieg am Mittwoch irgendwie unter, denn die Stadtbewohner plagten andere Sorgen. Der Verkehr brach im Zentrum zusammen, musste weiträumig umgeleitet werden. Ein riesiges Polizeiaufgebot auf der berühmten Museumsmeile „The Mall“. Nein, kein Terroralarm, „Code Orange“ oder Staatsbesuch. Der Grund hieß Dwight W. Watson.

Zwei Tage lang hielt der 50-jährige Bauer aus North Carolina die US-Hauptstadt in Atem. Mit seinem Traktor war er, nach einem Tag Reise und an allen Absperrungen vorbei, einfach in den großen künstlichen Teich vor dem Capitol gefahren. Dort blieb er, kurvte munter herum und foppte die hochgerüstete Antiterrorstreitmacht. Er drohte mit Sprengstoff „an Bord“ und wollte eigentlich nichts weiter, als gegen die staatliche Kontrolle von Tabaksubventionen protestieren, die sein Leben als Farmer ruinieren würden.

So stahl Watson zwei Tage lang Saddam Hussein und George W. Bush die Show, als er über die riesigen Fernsehleinwände flimmerte, die viele Kneipen und Restaurant wie sonst nur zur Fußballweltmeisterschaft oder dem „Super-Bowl“ wieder aufgespannt haben. So unsicher der Ausgang der Invasion, so sicher ist der Krieg als Medienereignis.