Expremier Alain Juppé verurteilt

Parteichef der französischen Konservativen wegen Korruption zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Berufung eingelegt. Beobachter: Urteil zielt auf Chirac

PARIS taz ■ Alain Juppé soll seinen glatten Kopf hinhalten: Der Expremier, der gegenwärtig Vorsitzender der regierenden rechten Sammlungspartei UMP ist und als enger Vertrauter von Staatspräsident Chirac gilt, wurde gestern von einem Strafgericht in Nanterre bei Paris in einem Korruptionsverfahren zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Zugleich wurde ihm das passive Wahlrecht für zehn Jahre entzogen. Der 58-Jährige legte Berufung ein.

Juppé, der zwischen 1983 und 1995 für die Finanzen der Stadt Paris verantwortlich war und zwischen 1988 und 1995 zugleich als Generalsekretär der RPR arbeitete, war einer von 27 Angeklagten, die im Pariser Rathaus tätig waren. Sie sollen öffentliche Gelder für Zwecke der neogaullistischen Partei RPR genutzt haben. Grundlage ihres illegalen Parteifinanzierungssystems waren Scheinbeschäftigungen. Dabei entlohnte das Pariser Rathaus „Mitarbeiter“, die tatsächlich nichts für die Stadt taten, sondern der RPR dienten.

In Frankreich haben viele Beobachter den Parteispendenprozess gegen Juppé & Co als Stellvertreterverfahren für einen Prozess gegen Chirac verstanden. Dieser war Bürgermeister von Paris, bis er 1995 in den Elysée-Palast umzog. Auch gegen Chirac haben verschiedene Richter wegen Parteispenden ermittelt. Sie prallten jedoch stets an seiner Immunität als Oberster Franzose ab. Erst wenn er den Elysée-Palast verlässt, kann er vor ein Gericht gestellt werden. Vorausgesetzt, die Vorwürfe sind bis dahin nicht verjährt. Sollte es im Berufungsverfahren bei der Verurteilung bleiben, geht nicht nur Juppés persönliche politische Karriere zu Ende, sondern würde zugleich auch der Staatspräsident erschüttert. Chirac hatte dafür gesorgt, dass Juppé in der UMP, der Nachfolgepartei der RPR, die Leitung übernahm, und hatte auch durchblicken lassen, dass er Juppé als seinen Nachfolger favorisiert.

Seit dem Beginn der Ermittlungen hatte sich Juppé aus der Regierungspolitik zurückgehalten. Er wurde Bürgermeister von Bordeaux und kümmerte sich um die UMP. Im Fall einer Verurteilung, so hat Juppé selbst angekündigt, will er sich aus der Politik zurückziehen. Eine Rente bezieht er ohnehin bereits.

DOROTHEA HAHN