Führungen zu Fuß und mit Doppel-t

Der Weddinger Verein StattReisen Berlin e.V. feiert morgen seinen 20. Geburtstag mit einer Sternwanderung – Führungen per pedes und mit Niveau sind das erklärte Konzept des Vereins. Mit „Hallo Roter Wedding“ fing alles an

Es war die Zeit um 1980. Eine Gruppe von Studierenden kommt nach Berlin. Schöneberg ist schon voll, Charlottenburg sowieso. Also müssen sie nach Wedding ziehen. „Fremdheit erzeugt Wissensdurst“, stellt Martin Düspohl, einer von ihnen, heute fest. Und das „rote Wedding“ hat doch seinen Reiz. Unter dem Titel „Hallo Roter Wedding“ stellen die Freunde einen Stadtrundgang zusammen. Gern gesehen war das nicht: „Wir bekamen sogar Hausverbot im Heimatarchiv vom Wedding ausgesprochen“, erinnert sich Düspohl heute.

Die Vorbereitung zu einem Stadtrundgang kann aufwändig sein. Das haben Düspohl und die 49 anderen Mitarbeiter von „StattReisen Berlin e. V.“ in den letzten 20 Jahren gelernt. Im März 1983 wurde der Verein für alternative Stadtführungen gegründet. Seitdem hat er rund hundert Führungen entwickelt und vielen tausend Menschen ein Berlin gezeigt, „das man durch getönte Busscheiben nicht erkennen kann“, so Pressesprecher Jörg Zintgraf.

StattReisen Berlin legt Wert darauf, Führungen anzubieten, bei denen nicht nur touristisch Interessantes besehen wird, sondern vor allem das Leben im Vordergrund steht, die Teilnehmer „in die Stadt eintauchen“ können. Das steht schon im Namen: „Anstatt reisen in Berlin bleiben“ soll es sinngemäß heißen und das erklärt das Doppel-t. „Dabei gehen wir exemplarisch vor“, weiß Martin Düspohl. „Wir zeigen Puzzlestücke, die sich dann zum Ganzen zusammen fügen.“ Auch sozialverträglich wollen die Führungen sein – „wir rennen nicht in jeden Hinterhof“, heißt es. Und: „Am Sabbath fallen die Führungen durchs jüdische Viertel aus.“

„Rund um den Kreuzberg“, „Tänze des Lasters“ oder „Dem Deutschen Volke“, heißen die Führungen, die Bewohner und Besucher von Berlin neue Seiten der Stadt entdecken lassen. Zu Fuß wird erkundet, dann erlebt und sieht man mehr, kommt eher ins Gespräch auch mit Bewohnern der Stadt. Die Führungen finden auf Voranmeldung für Gruppen statt. Dazu gibt es ein Programm mit offenen Spaziergängen. StattReisen Berlin gründete vor 15 Jahren den Verband „Forum neue Städtetouren“ mit, der bundesweit Kriterien für hochwertige Stadterkundungsprogramme entwickelt hat. Außerdem werden Studienreisen nach Mittel- und Osteuropa angeboten.

Auch über das geteilte Berlin und die Wiedervereinigung können die Stadtführer viel erzählen – hat der Verein in seiner Geschichte doch beides miterlebt. Vor der Wende entwickelte es sich eher zufällig, dass die StattReisen-Führer ein ungewöhnliches Brotgeschäft ereilte: „Wir begleiteten ängstliche westdeutsche Lehrer mit ihren Gruppen auf dem obligatorischen Besuch in Ostberlin“, erinnert sich Martin Düspohl grinsend.

Am Dienstag beging StattReisen Berlin e. V. seinen 20. Geburtstag. Der wird am Sonntag gefeiert mit einer Sternwanderung zum Platz des 18. März. Von 20 Punkten aus stellen Stadtführer Ausschnitte aus ihren Spaziergängen vor Start ist jeweils 14 Uhr, Interessierte können kostenlos mitlaufen. Um 15.30 Uhr gratuliert Joachim Zeller, Bezirksbürgermeister von Mitte, am Platz des 18. März. Danach treffen sich ab 16.30 Uhr Interessierte im historischen Saal des Kaiser-Friedrich-Hauses. Dort wird vorausichtlich eine literarische Zeitreise stattfinden, bei der Texte zum 18. März sowie Texte von StattReisen-Autoren gelesen werden. JULIANE GRINGER

Infos unter www.stattreisen.berlin.de